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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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im Frühling, wenn das erste grüne Licht durch die Bäume scheint. Dein Atem strich über meinen Hals, deine kleinen, warmen Finger verfingen sich in meinem Haar. Eine Strähne behieltest du fest in der Hand, als wolltest du mich selbst im Schlaf an dich fesseln. Ich streichelte deinen Rücken, deinen warmen Bauch, die Innenseite deiner Schenkel, teilte mit den Fingern behutsam deine Schamlippen. Alles war so sanft an dir, eng und unversehrt. Es war 203
    irgendwie so rührend, dich anzusehen, dich zu fühlen. Ich atmete den Duft deiner Haut ein, schaudernd vor Begehren, aber voll Furcht, dich zu wecken. Schließlich wurde ich fast verrückt, hob dich hoch – du wiegst ja nicht mehr als ein Kind – und liebte dich, noch schlafumfangen. Dein Körper vibrierte unter meinen Händen, so zart, so empfindsam. Es war absolute Seligkeit und etwas, das ich vorher nie gekannt hatte. Niemals.«
    Er hielt inne, um Atem zu holen.
    Das Klopfen meines Herzens verlagerte sich nach unten, in den Leib. Ich schloß halb die Augen, stöhnte leise, süße und panische Furcht legten sich auf mich wie ein Schleier.
    »Bitte, sei still! Du bringst mich zum Weinen.«
    »Hör mir noch einen Augenblick zu. Wir taten es wieder, am Morgen, und wieder war mir, als hätte ich nie zuvor eine Frau in den Armen gehalten. Aber ich zweifelte immer noch an meinen Gefühlen. Fast war ich erleichtert, daß wir uns für ein paar Stunden trennen mußten. Ich wollte Zeit gewinnen, um mit mir selbst ins reine zu kommen. Aber dann passierte der Unfall mit Tetsuo. Ich konnte nicht so schnell weg, wie ich wollte. Und plötzlich war es genau wie damals: die gleiche Unrast, das gleiche Fieber. Das absolut widersinnige Gefühl, daß jemand in Not nach mir rief. Aber diesmal trug ich noch an meinen Schultern die Spuren deiner Zähne, und plötzlich war mir klar, du warst es, die ich finden mußte.«
    Er leerte sein Glas. Ich sah ihn wie versteinert an.
    »Ich spürte, daß du in Gefahr warst, spürte es so deutlich, daß ich fast durchdrehte. Während Tetsuo operiert wurde, versuchte ich vergeblich, dich anzurufen. Ich verdrückte mich in die nächste Bar. Stürzte einige Whiskys hinunter, was die Sache kaum besser machte. Dann kam Tetsuos Mutter; ich erledigte mit ihr, was zu erledigen war. Endlich hatte ich es hinter mir, raste wie ein Geisteskranker durch den Verkehr. Hatte im Imperial noch einen Zusammenstoß mit den Sicherheitsbeamten. Mit einer Krawatte um den Hals wäre ich ein paar Minuten früher dagewesen. Und dann kam ich nach oben, du warfst dich in meine Arme, und ich sah, daß ich gerade zur rechten Zeit gekommen war.
    Es war nur zu wahr, daß du mich brauchtest. Deine Angst traf mich wie ein Schlag.
    Ich hielt dich fest; nicht nur mit den Armen, sondern mit dem ganzen Körper.
    Und daraus folgte das andere. Kein Gefühl mehr, nein: ein sichtbares Bild. Ein Blütenkelch, verfangen in meiner Brust, mit jeder Herzbewegung zu einer Blume emporwachsend, goldschimmernd und wunderbar…«
    Er wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen.
    »Manchmal sieht man im Whiskynebel merkwürdige Dinge, aber das war es nicht. Und die Vision – wenn es eine war – dauerte auch nicht länger als ein paar Atemzüge, während ich dich in meine Arme schloß und der bärtige Gaijin hinter dir herlief, alles umwarf und dummes Zeug redete. Aber ich wußte Bescheid. Es war Liebe, die ich für dich empfand. Und aus dieser Liebe gab es kein Zurück 204
    mehr.«
    Seine braunen Augen sahen mir gerade ins Gesicht. Sie trugen diesen Ausdruck von Zärtlichkeit und schalkhaftem Eigensinn, der typisch für ihn war. Ich erwiderte seinen Blick und spürte Tränen hochsteigen. Nein, dachte ich, du liebst mich nicht wirklich. Du liebst die Verzückung, das reine Feuer. Du bist ein Mann, aber du besitzt die sonst nur Kindern eigene Fähigkeit, dich in jedes Wort, in jede Gebärde fast blindlings zu verlieren. Deine Worte, an mich gerichtet, gelten nur einem Traum. Ich kann dich nicht lieben, ich würde dich zerstören. Etwas Schlechtes pulsiert in meinem Blut, eine uralte Verderbtheit, von der du nichts ahnst. Ich kann nichts dafür, ich bin so geboren. Ich schluckte die Tränen der Schwäche, des Schmerzes hinunter. Es war so schwer, ihm zu widerstehen, so entsetzlich schwer.
    »Komm her!« flüsterte ich. »Und gib mir deine Hand.«
    Er rutschte auf den Knien zu mir hin. Ich nahm seine Hand zwischen meine beiden Hände, preßte sie an meine Wange, küßte sie.
    »Oh, das tut

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