Silbermuschel
sein. Ich ziehe ein frisches Nachthemd über, entwirre und kämme mein nasses Haar. Der Geruch haftet noch immer an mir, an meinem Gesicht, an meinen Händen. Ich spüre einen schalen Geschmack im Mund.
Ich lösche das Licht, gehe zurück in mein Zimmer, lege mich ins Bett. Die Laken sind frisch und glatt gezogen. Das tut gut.
Aber dann zucke ich zusammen. Schritte auf der Treppe. Mein Vater kommt.
Die Holzstufe knarrt. Ich krümme mich, ziehe die Beine an. Er stößt die Tür mit dem Knie auf. In den Händen hält er ein Glas Milch und einen Teller mit Plätzchen, von der Sorte, die meine Mutter nur sonntags zum Kaffee auf den Tisch bringt. Er trägt einen sauberen Schlafanzug und darüber seinen gestreiften Bademantel. Sein Haar ist aus der Stirn gekämmt, er duftet nach Habanita. Er trägt seine Pantoffeln, aber ich sehe, daß sein Fuß verbunden ist.
Die Matratze quietscht, als er sich auf die Bettkante setzt. Seine Lippen sind 245
hochrot und feucht und seine Augen glasig. Ich rücke von ihm ab. Er sagt, bleib da, ich tu’ dir doch nichts. Er reicht mir das Glas. Ich solle die Milch trinken, bevor sie kalt wird. Gehorsam setze ich mich hoch; nehme das Glas, führe es an die Lippen.
Der Rand schlägt an meine Zähne. Paß doch auf, sagt mein Vater, du verschüttest ja alles. Ich trinke einen Schluck. Die Milch ist angenehm warm. Mein Vater hält mir den Teller hin; er will, daß ich ein Plätzchen nehme. Ich stoße den Teller weg.
Er streckt den Arm aus, will mir über die Stirn streichen. Ich weiche zurück; mein Hinterkopf schlägt hart an die Wand. Das Glas fällt mir fast aus der Hand, ich verschlucke mich und huste. Mein Vater sagt, ich solle mich endlich beruhigen.
Das, was wir vorhin getan hätten, würden alle Frauen und Männer, die sich gern haben, miteinander tun. Und manchmal auch die Vater mit ihren Töchtern. Er habe mir nur zeigen wollen, wie lieb er mich habe. Schließlich sei ich kein Kind mehr.
In arabischen Ländern heiraten die Mädchen, sobald sie ihre Monatsblutung haben.
Mit fünfzehn oder sechzehn bringen sie schon ihr erstes Baby zur Welt. Und du weißt doch, wie lustig es ist, ein kleines Baby zu baden und zu wickeln und zu herzen. Viel schöner, als mit einer Puppe zu spielen. Er sagt auch, mein Bauch sei unten verschlossen gewesen. Mit einer dünnen Haut, die entfernt werden mußte.
Jetzt sei ich weit genug offen. Und bald würde es ganz wunderschön werden.
Worüber redet er eigentlich? Mir fallen die Augen zu. Ich weiß nicht, warum ich solche Schmerzen habe. Ich sage, ich bin müde, ich will schlafen. Er nimmt mir das Glas aus der Hand und sagt, leg dich nur hin. Aber bevor ich einschlafe, soll ich wissen, daß er mich am liebsten auf der ganzen Welt habe, noch lieber als meine Mutter. Und ich sei viel schöner als sie. Aber ich müsse ihm fest versprechen, nie irgend jemandem etwas davon zu erzählen. Es müsse ein Geheimnis zwischen uns bleiben. Sonst würde ich ganz furchtbar bestraft werden.
Er deckt mich zu, will mich küssen. Ich bekomme Schluckauf, verkrieche mich in eine Ecke des Bettes, ganz dicht an die Wand. Er murmelt einige unverständliche Worte und macht das Licht aus. Er geht hinaus. Ich schließe die Augen und schlafe sofort ein.
Am Morgen habe ich immer noch Bauchschmerzen. In meinem Schlüpfer ist Blut. Ich lege eine Binde hinein. Ich gehe zum Bäcker; es tut so weh, daß ich kaum gehen kann. Ich decke den Tisch, koche Kaffee. Wir frühstücken. Ich würge ein paar Bissen hinunter. Mein Vater fragt, ist dir nicht gut? Ich schweige. Er sagt, ein guterzogenes Mädchen antwortet, wenn der Vater sie etwas fragt. Ich sage, ich habe nichts. Er sagt, dann kannst du ja den Haushalt machen.
Er verschwindet in seinem Arbeitszimmer; die Schreibmaschine klappert. Ich mache alles, was ich jeden Tag mache. Sein Bett natürlich auch. Auf dem Nachttisch steht eine leere Flasche, daneben das Glas mit einem Rest Wermut.
Ich bringe das Bettzeug in die Wäscherei. Die Frau hinter der Theke kennt mich gut. Sie hält die Laken hoch und fragt, ob bei uns jemand krank sei. Ich sage nein. Sie wirft mir einen komischen Blick zu.
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Ich koche zu Mittag. Ein Gericht aus Fleisch und Nudeln. Ich falte ein frisches Tischtuch auseinander, stelle das Körbchen mit dem Brot und die Salatschüsse]
hin. Ich blute noch immer und halte mich etwas vornüber. Sobald ich mich aufrichte oder den Arm ausstrecke, spüre ich ein Reißen im Bauch.
Mein Vater kommt zu Tisch und fragt, wo
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