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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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und schaukelt hin und her, wie auf einem Schiff bei Seegang. Mein Vater verliert das Gleichgewicht, hält sich mit beiden Händen am Kopfende fest. Jetzt springt die Schranktür aus den Angeln, schwenkt quietschend auf und zu. Eine Schublade schiebt sich aus der Kommode, kippt ihren ganzen Inhalt auf den Boden. Auf der Kommode schwankt meine kleine Porzellanvase, dreht sich ein wenig und kippt um. Ein dumpfes Klirren. Schon liegt sie in Scherben am Boden. Dann Stille. Es ist vorbei. Nur das Kruzifix hängt nach wie vor an der Wand. Mein Vater sitzt wie benommen auf der Bettkante.
    Nach einer Weile hebt er schwer atmend den Kopf. Richtet sich auf, mit steifen Knien. Ich liege zusammengekrümmt im Bett, würge und spucke. Alles ist schmutzig, das Laken, die Kissen, das ganze Zimmer. Mein Vater macht einen Schritt, dann einen zweiten. Sein Gesicht ist eigentümlich verzerrt; er bückt sich nach seiner Pyjamahose, steigt hinein, zieht die Kordel zu. Er murmelt, was war das nur? Fährt mit der Hand durch sein Haar, schlurft schwerfällig durchs Zimmer.
    Verdammt! brummt er und hebt das Bein. In seinem nackten Fuß steckt ein Splitter. »Verdammt!«
    Vorsichtig tastet er sich um die Scherben herum zum Fenster. Er reißt beide Fensterflügel auf, beugt sich hinaus. Der Garten versinkt in finsterer Reglosigkeit; nur der Baum ragt lichtübergossen empor, flimmernd und gewaltig. Jeder Zweig, jeder Ast gleicht einem silbernen Aderwerk, lebend, pulsierend. Und gerade über dem Baum scheint der Mond, eine kalte, drohende Scheibe. Es ist, als ob das Himmelslicht den Baum anziehe, eine Kraft sei, die ihn emporhebt und schweben läßt.
    Mein Vater schließt das Fenster, dreht sich um, kommt zurück. Er geht unbeholfen auf den Fußrändern, um weitere Splitter zu vermeiden. Er knipst die Nachttischlampe an. Ich blinzle, halte den Ellbogen über die Augen. Mein Vater betrachtet die offene Schranktür, die umgekippte Schublade. Das Bett steht schräg; er schiebt es an die Wand zurück. Das Licht der Lampe spiegelt sich in seinen Augen. Auf einmal fängt er an zu reden; er sagt, das käme von der Baustelle. Bei den Sprengungen müsse etwas schiefgegangen sein. In den Frühmeldungen würde man gewiß darüber berichten. Und ich solle aufstehen, das Bett frisch überziehen, 244
    das Zimmer in Ordnung bringen und die Scherben auffegen, er habe sich bereits geschnitten. Das schmutzige Bettzeug solle ich gleich morgen zur Wäscherei bringen, damit meine Mutter es sauber vorfinde.
    Er humpelt hinaus. Sein Fuß blutet, auf dem Boden hinterläßt er einige rote Tropfen. Ich starre sie an; mir kommt alles wieder hoch, aber ich spucke nur noch Galle. Zitternd schiebe ich die Beine aus dem Bett. Stelle die Füße auf den Boden.
    Stehe auf. Ich krümme mich vor Schmerzen. Auf meinem Schenkel klebt ein Rinnsal Blut. Ich ziehe das schmutzige Bettzeug ab, auch den Kopfkissenbezug.
    Ich habe keine Kraft, die Matratze zu wenden, und lasse es bleiben. Ich ziehe das Bett frisch über, stecke das Kissen in einen reinen Bezug. Ich vollbringe jede Geste wie im Traum. Ich mache die Schranktür zu, hebe die Schublade hoch, schiebe sie in die Kommode, werfe die ausgeschüttete Wäsche wieder hinein. Ich keuche und zittere, ich kann mich kaum auf den Beinen halten. Die unsichtbare Wunde in meinem Unterleib brennt und pocht. Unter meinem Fuß knirscht etwas. Scherben.
    Ich setze mich auf den Bettrand, ziehe zwei lange Splitter aus meiner Ferse.
    Seltsam, es tut nicht weh. Es fließt auch kein Tropfen Blut. Aus dem Putzschrank neben dem Zimmer hole ich Handfeger und Schaufel. Ich fege die Scherben vor der Kommode zusammen, wische mit einem feuchten Lappen den Boden auf. Ich krieche stöhnend auf den Knien herum, mein Bauch reißt und zieht. Dann gehe ich in den Toilettenraum; ich ziehe mich aus, das Nachthemd, den Büstenhalter, den Schlüpfer. Ich muß mich kalt waschen. Heißes Wasser gibt es nur unten, im Badezimmer. Zuerst die Zähne putzen, den Mund ausspülen. Gurgeln, alles ausspucken, das ist das Wichtigste. Dann den Kopf unter das kalte Wasser halten, mich überall waschen. Ich reibe und seife mich ein, das Gesicht, den Hals, die Arme, den Bauch. Auch zwischen den Beinen. Auf dem Waschlappen ist Blut; ich wringe ihn ganz fest aus. Dann trockne ich mich ab, ziehe einen frischen Schlüpfer an. Den Büstenhalter kann ich nicht wechseln, ich habe nur diesen einen. Ich wasche ihn aus, hänge ihn an den Haken neben dem Waschbecken. Bis morgen wird er trocken

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