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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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ruhige, straffe Verbeugung. Es hebt die Fackel; hält sie zuerst an die weibliche, dann an die männliche Figur. Rote Flammen züngeln auf, prasseln und knistern. Das Feuer springt höher, wandert weiter, flattert wie eine goldrote Fahne. Ich höre Tausende von Stimmen, die lachen und jubeln. Alle, jung und alt, treten jetzt vor, werfen ihre Fackeln in die Flammen. Das feuchte Stroh entwickelt Rauch, weiß wie Nebel. Die Stricke krümmen sich, fallen ab. Gelbe und schwarze Fetzen wirbeln meerwärts, Funkengarben sprühen auf, am Himmel entfaltet sich eine zuckende Aura. Die Kultmale neigen sich einander zu; das Feuer springt vom einen auf den anderen über. Sie umarmen sich, hellrot und brausend umlodert, in den Flammen vereint wie in der Liebe. Ein Feuersturm, der Besitz nimmt von der Erde und von der Luft, 535
    Symbol des vergänglichen Lebens und zugleich des Strebens nach Wiedergeburt.
    Ein aufwärtsstürzendes Flammengebet mit einem roten Trommelherz im Zentrum.
    Und es pocht und dröhnt, dieses Herz, die Schallwellen wandern vor und zurück wie Ebbe und Flut. Nun kreischen auch die Flöten aus ihren sieben Löchern, sie orgeln wie der Wind. Zwischen Diesseits und Jenseits sind die Schranken aufgehoben: Die Menschen drehen sich im Kreis, stampfen mit den Füßen, heben und senken die Arme in der uralten Geste der Ruderer. Aus ihrer Kehle dringen die kraftvollen, schwingenden Laute, mit denen die Seefahrer alter Zeiten den Takt skandierten, wenn die Ruder Schaum aus den Wogen peitschten. Die windgeborenen Flöten pfeifen schrill, scharf, ohrenbetäubend, das Trommelherz klopft emsig und hart wie die kleinen Wellen, die an den Bug der Schiffe klatschen. Die Menschen tanzen den heiligen Reigen, der den Jahresgang, den Sonnenlauf, das Kreisen der Sterne nachahmt. Sie setzen irdische Zeichen für überirdischen Segen. Denn die Erde ist heilig, die Gewässer sind heilig, die Bäume, die Gräser, der Mensch ebenso wie die Ameise. Du weißt das alles, mein Geliebter, du weißt das alles und noch viel mehr. Ich sehe dich im Feuerschein; du lockst den Rhythmus aus dir heraus; deine kräftigen Arme heben und senken sich, den Donner entfesselnd, der süß ist wie die Liebe und heiß wie das Blut. Auf deinen Schultern flattert das Haar. Dein Gesicht ist starr, in Verzückung, die Zähne glänzen zwischen den Lippen. Du bist der Schamane, der den Zauber der Erde kennt, die Fabel des Meeres, die Sprache der Götter. Du ordnest alle Dinge, du weckst die Kräfte, die sich gegen die Mächte der Auflösung, der Zerstörung wenden, gegen Haß und Gewalt, gegen Herzenskälte und hohle Worte, gegen alles, was die menschliche Seele in Fesseln legt.
    »Komm!« sagte Kimiko.
    Ich stützte mich am Boden auf, kam schwerfällig auf die Beine. Mein Knie schmerzte bei jeder Bewegung. Humpelnd trat ich aus dem Schattendach des Baumes in den kühlen Wind. Wie eine Schlafwandlerin folgte ich der alten Frau, doch wir gingen nicht weit; sie führte mich zurück an das Feuer. Zwischen drei dicken Steinen schwelte die Glut. Kimiko hockte sich geschmeidig hin, stocherte in der Holzkohle, warf eine Handvoll Reisig in die Glut. Schlotternd ließ ich mich an der Feuerstelle nieder, hielt die Hände über die kleinen Flammen. Kimiko hustete, hantierte mit einigen Geräten. Der Wind kam von der anderen Seite; die Trommelschläge verklangen in der Dunkelheit, die singenden Stimmen waren jetzt zu weit weg, als daß ich ihnen noch Beachtung geschenkt hätte. Kimikos Hand berührte meine Schulter. Blinzelnd hob ich den Kopf; sie nickte mir freundlich zu, hielt mir einen Becher hin. Ich bedankte mich, trank gierig die lauwarme Flüssigkeit. Der süßlichherbe Geschmack, mit dem Geruch der Holzkohle vermischt, war mir fremd. Es mußte eine besondere Teesorte sein. Kimiko kniete vor mir im Feuerschein. Sie hatte ein kleines Bündel Reisig in der Hand und warf dann und wann ein Scheit in die Glut. Sie sprach nicht und schien auf etwas zu 536
    warten. Ich fühlte meine Glieder seltsam leicht werden; mein Gesicht fühlte sich heiß an, mein Rücken kalt. Mir war, als ob kalter Wind durch meinen Kopf wehte.
    Ob sie wohl etwas in den Tee gemischt hatte, das mich so erregte?
    Auf einmal merkte ich, daß die Trommeln schwiegen. Vielleicht waren sie schon länger verstummt. Unten am Strand herrschte Stille. Ich vernahm das Knistern des Feuers, das Rauschen des Windes in den Zweigen. Kimiko saß ruhig da, den Kopf lauschend zur Seite geneigt. Ihre Augen waren auf das

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