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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Feuer gerichtet und fingen den Schein auf.
    »Das, was du willst, kommt immer, ne?« brummte sie.
    Ich starrte sie an und nickte dann langsam. Ich konnte nichts machen, sie schlüpfte einfach in meine Gefühle hinein. Sie kannte mich nur zu gut. Ich war jetzt ganz sicher, daß sie dem Tee irgendein Aufputschmittel zugefügt hatte. So hellwach fühlt man sich nur, wenn man etwas eingenommen hat. Jeder Nerv war zum Zerreißen gespannt, mein Tast- und Geruchssinn kamen mir seltsam geschärft vor; ich hatte einen Geschmack auf der Zunge, herb und süßlich, als hätte ich Baumrinde gekaut. Ich hörte auch ein ganz eigentümliches Geräusch, ein trockenes Knacken in meinem Hals, wie wenn ein Zweig brechen würde. Mir kam in den Sinn, daß ich das alles schon früher erlebt hatte. »Nani hoshiino?« murmelte Kimiko.
    Was hatte sie gesagt? Sie wiederholte die Frage. Langsam und eindringlich.
    Endlich verstand ich.
    »Nun also, was willst du?« hatte Kimiko gesagt.
    Ich atmete tief und erschauernd.
    »Ihn«, sagte ich, »für immer.«
    Ein merkwürdiger Ausdruck glitt über ihr Gesicht. Ich hörte einen glucksenden Laut. Hatte die alte Frau gelacht?
    »Saa yatte goran!« sagte sie in ihrem gebrochenen Flüsterton. »Dann hol ihn doch her.«
    Ich spürte ein flaues Gefühl in der Magengrube.
    »Wie?« flüsterte ich rauh.
    »Du weißt schon, wie!«
    Ich schüttelte heftig den Kopf.
    »Wirklich, ich weiß es nicht.«
    Sie ließ ihr ungeduldiges Zungenschnalzen hören. Das Feuer strahlte einen Lichtschimmer aus, der sich in ihren Augen wie ein Spiegel brach. Eine ganz eigentümliche Bestimmtheit ging von ihr aus. Sie stellt mich auf die Probe, dachte ich. Das ist etwas, was sie von mir erwartet. Aber ich wußte nicht recht, was ich eigentlich tun sollte.
    »Dekimasen – ich kann es nicht!« stieß ich hervor.
    Statt einer Antwort schloß sie die Augen, so langsam und eindringlich, daß diese einfache Bewegung zu einer spöttischen Aufforderung wurde, fast zu einem 537
    Befehl. Es war wirklich ein schlauer Trick von ihr, daß sie mich auf diese Weise herausforderte. Was traut sie mir eigentlich zu? Sie hat schon recht, es gibt Dinge, die ich tun kann. Wenn ich will, daß diese Dinge geschehen. Aber bisher habe ich es nur getan, um mich zu schützen. Hier bedroht mich nichts. Meine Beklemmung wurde geradezu verzweifelt. Ich starrte auf ihre Lippen; ihre Mundwinkel zuckten.
    Ihr Gesicht hatte plötzlich einen ganz anderen Ausdruck, liebevoll und nachsichtig und eine Spur amüsiert. Sie kannte ja mein Geheimnis. Diese Sache, sie war ja anwesend in mir, in meinem Körper, im Denken, im Fühlen, im Wachen und im Träumen. Und vielleicht denkt sie, daß ich glücklich sein sollte deswegen. Das bin ich nie gewesen. Stets lebte ich in schrecklicher Angst, wollte das lieber als Last empfinden. Aber ich hatte es immer geschafft, wenn ich es schaffen mußte.
    Ich will dich, habe ich gesagt. Vielleicht kommst du schon bald, sogar gleich, wenn ich nur fest genug an dich denke. Glaubst du wirklich, daß ich stark genug bin? Mein Geist kehrte in das Zimmer in Tokio zurück, wo du meine Hand an deine Stirn gedrückt hattest. Ich spürte deine Finger, die sich auf meine Haut legten, ich hörte deine Stimme flüstern: »Eines Tages werde ich dein Schatten sein, die Flügel, die den Spiegel tragen, der Baum, der deinen Schlaf bewacht…«
    Damals hatte ich weder die Geste noch die Worte begriffen. Doch seitdem habe ich viel dazugelernt. Und ich glaube, es bereitet mir sogar Lust, diese Sache zu tun, der ich mich eigentlich schämen sollte.
    Du sollst kommen. Jetzt. In diesem Augenblick. Ich will dich. Ich will zu einem Teil deines Körpers werden, ja, mit dir verwachsen sein. Und ich weiß, daß du es auch willst. Ich sehe das Feuer vor mir; rot wie Rubin. Ich fühle dieses Feuer ganz nahe an meinem Gesicht; ich will in seiner Wärme schweben. Ich suche dich.
    Meine Augen schmerzen; wenn ich mich von den Flammen entferne, läßt auch der Schmerz nach, aber dann fühle ich dich nicht mehr. Also gehe ich wieder näher heran. »Komm!« flüstere ich, ich bitte dich darum. Ich will mit dir schlafen. Nach dem Tanz. Sobald die Trommeln schweigen. Jetzt. Du bist nackt. Dein Körper duftet nach Salz und Reiswein, du bist unendlich begehrenswert. Ich schreie, wenn du nicht kommst. Mein Wille hat Kraft, das spürst du doch, dort, wo du bist. Und du weißt auch, was ich tun kann. Genau wie damals, als ich den Baum durch das Zimmer schleifte, als ich die

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