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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Wunde in mir pochte und brannte.
    Michaels Finger wanderten höher, krallten sich schmerzhaft in mein Haar. Ich drehte die Augen zur Seite, um ihn nicht anzusehen. Er sprach in seiner schnellen, ausdruckslosen Art, als wenn er die Worte schon lange eingeübt hätte.
    »Du bist nicht wie andere Frauen. Die geben nur an und tun nur den zehnten Teil von dem, was sie behaupten. Bei dir ist das etwas anderes, ich habe das sofort gesehen. Tu nicht so keusch! Komm, trink endlich, dann wird dir schön warm. Und dann legst du dich hin, machst dich ganz locker und zeigst mir, wie du es am 97
    liebsten hast. Ich weiß doch, daß du es gern tust. Daß du phantastisch bist.«
    Er drehte gewaltsam meinen Kopf zu sich hin. Ich starrte auf seine dunkelroten Lippen und blinzelte. Als er mich küßte, ging mir die Luft aus. Ich rang nach Atem, griff mir an die Kehle.
    »Trink! Warum trinkst du nicht?« Das Glas schlug an meine Zähne, als er mir den Whisky direkt in den Mund goß. Ich hob abwehrend den Arm, verschluckte mich, hustete, keuchte.
    »Geh weg! Rühr mich nicht an!«
    »Das könnte dir so passen«, sagte der Teufel, »jetzt plötzlich nicht mehr wollen, da habe ich auch noch ein Wörtchen mitzureden. Was hast du denn hier zu suchen, wenn du nicht ganz geil darauf bist? Du bist freiwillig mitgekommen, das wirst du doch nicht abstreiten.«
    Meine Halsader klopfte, ein Druck lastete auf meiner Brust, unter dem Herzen.
    Der Teufel packte mich, zerrte mich an den Haaren rückwärts. Ich versuchte aufzustehen, er zog mich wieder hinunter, drehte mir den Arm nach hinten, ich hörte mein Schultergelenk knacken, schrie vor Schmerz auf.
    Es ist doch alles ganz einfach, sagte das kleine Mädchen in mir. Du sprichst das richtige Wort und alles, wie du willst, daß es geschehe…
    … so geschieht es auch.
    Ich kann nicht! schrie ich in derselben stummen Sprache.
    Hast du Angst? fragte das kleine Mädchen. Damals hast du nicht so lange gezögert.
    Das Gewicht war ganz entsetzlich, nicht auszuhalten, es drückte mir die Rippen ein. Finger krallten sich in meinen Ausschnitt, die Bluse zerriß, die Knöpfe sprangen auf. Der Teufel zerrte mir den Büstenhalter vom Leib. Seine Hände machten sich am Reißverschluß meiner Jeans zu schaffen.
    Nun mach schon, sagte das kleine Mädchen. Sag endlich das Wort, und du bist ihn los.
    Welches Wort?
    Das Dunkle in meinem Zwerchfell formte sich zu einem Muster, das emportauchte. Ein Bild flimmerte vor meinem inneren Auge, nahm die Gestalt eines Baumes an, aus irgendeinem Samen von grünschillernder Substanz gewachsen. Der Baum festigte sich, während ich mit dem Teufel rang, wuchs höher mit jedem Atemzug, ein Gewirr von Wurzeln und Ästen und Laubwerk. Er dehnte sich nach allen Seiten aus, unaufhörlich, unerbittlich, und erzeugte einen solchen Druck, daß ich glaubte, mein Brustkorb würde bersten.
    Worauf wartest du noch? sagte das kleine Mädchen.
    Der Baum war nicht irgendein Baum. Er hatte einen Namen. Wenn ich mich an diesen Namen erinnerte, war ich gerettet.
    Schnell! sagte das kleine Mädchen.
    Ich fühlte mich von innen geschüttelt. Der Baum breitete seine Krone aus, 98
    erfüllte das Zimmer mit dem Schatten tanzender Blätter. Jetzt!
    Aus den tiefsten Schichten der Erinnerung drang der verbotene Name an mein Bewußtsein; ich schrie: »Kurino-Ki«, mit aller Kraft. Der Schrei riß die Trennwand herunter. Das kleine Mädchen und die junge Frau wurden ein einziges Wesen. Die Füchsin sprang durch Raum und Zeit, fand ihr Versteck unter den Baumwurzeln. Jetzt war es soweit, jetzt fügten sich alle Dinge zusammen.
    Wie du willst, daß es geschehe…
    …so geschieht es auch.
    Endlich, sagte das kleine Mädchen. Es wurde auch höchste Zeit. Eine Welle seelenversengender Hitze wirbelte durch mich und über mich hinweg. Ich hörte ein Poltern und Krachen. Hoch über mir, in einem Spiegel, sah ich mein eigenes Gesicht, in schmerzhafter, verrückter Ekstase glühend. Ich sah einen schreienden Mund, einen halbnackten Körper. Der Anblick war mir unerträglich. Ich wollte diesen Mund, diesen Körper nicht sehen. Ich rang nach Luft, schmetterte alle Kraft, die in mir steckte, zu den Spiegeln empor. Ich hörte eine Anzahl heller, platzender Geräusche. Ein Spalt klaffte auf, wie ein roter Blitz, kroch weiter, teilte sich in Zacken und Scherben. Ganze Verästelungen blitzender Linien zuckten auf, formten sich zu einem Muster, einem Spinnennetz ähnlich. Kleine, pochende Schläge ertönten, bis die Linien

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