Silbermuschel
der Halle, nur kleiner, funkelte wie ein Eisgewächs; es war, als ob zehn davon dort hingen. Ein Bett mit vier verschnörkelten Säulen und einem rotseidenen Überwurf stand in der Mitte des Zimmers. Die zugezogenen Vorhänge waren aus goldrotem Brokat. Michael grinste, öffnete die Tür eines Badezimmers. Der Rand des Waschbeckens und der WC-Deckel waren mit Intarsienmuster aus Perlmutt geschmückt. Und überall Spiegel. Wohin ich mich auch wendete, ich sah mich verdreifacht, verzehnfacht, ins Endlose reflektiert.
»Ich mag diesen Ort«, sagte Michael. »Ein herrlicher Kitschpalast!«
Am Fußende des Bettes stand eine kleine Bar, darauf ein Fernseher. Michael schaltete ihn ein. Auf dem farbigen Bildschirm erschien die Gestalt einer nackten, masturbierenden Frau. Ein Mann, ebenfalls nackt, filmte mit einer Videokamera.
Michael ließ seine Tasche von der Schulter gleiten und grinste.
»In Japan ist es strafgesetzlich verboten, in den Medien Geschlechtsteile oder Schamhaare zu zeigen. Bei manchen Filmen gibt es drei Fassungen: eine für den Inlandsmarkt, eine für den asiatischen Raum und eine – die pikanteste natürlich –
für Europa und die USA. Hier wird letztere gezeigt. Setz dich und mach es dir bequem. Vielleicht möchtest du einen Drink?«
Steif ließ ich mich auf die Bettkante nieder. Michael ging zur Bar und machte sich dort eine Weile zu schaffen. Ich hörte ihn mit Gläsern und Flaschen klirren.
Ich betrachtete die Frau auf dem Bildschirm. Überall an den Wänden sah ich ihr verzücktes Gesicht, die stöhnenden Lippen, den sich windenden Körper. Und an der Decke auch.
Michael drehte sich mit zwei Gläsern in den Händen um und hielt mir eines hin. Ich sah, daß es halbvoll war und schnupperte daran. Whisky pur. Ich wollte keinen Whisky. Michael indessen sprach weiter. Er wurde unruhig. Es zeigte sich weniger in seinen Bewegungen als in der Art, wie er sprach, einen Ton höher als gewöhnlich und mit einer Andeutung von nervöser Spannung.
»Pornographie und sexuelle Permissivität werden hierzulande großgeschrieben.
Ich muß schon sagen, die Japaner zeigen sich auf diesem Gebiet ziemlich erfindungsreich.«
Ich schwieg und blickte auf die Frau, die wollüstig den Kopf hin und her warf.
Ob sie wohl simulierte? Ja, natürlich simulierte sie.
96
»Ich möchte, daß du das auch tust«, sagte Michael heiser. Ich wandte den Kopf zu ihm hin. Er trank hastig einen Schluck. Seine Augen leuchteten wie geschmolzenes Blei.
»Ich will dir zuschauen. Dich in allen Spiegeln sehen. Ich bin ganz geil drauf.
Siehst du die Kamera dort? Wir nehmen das jetzt auf. Nachher sehen wir uns den Film in aller Ruhe an, du wirst sehen, wie das antörnt.«
Die Kamera war in die Wand eingebaut; vermutlich, damit sie nicht gestohlen wurde. Michael holte eine Kassette aus seiner Tasche, schob sie in die Kamera, drückte auf ein paar Knöpfe.
»Ich habe eine ganze Sammlung solcher Filme. Ein Freund hebt sie für mich auf. Ann weiß natürlich nichts davon. Ich bin ganz scharf auf diese Dinge. Du nicht auch?«
Die Augen fielen mir zu. Ich war so müde, daß ich auf der Stelle hätte einschlafen können.
Blinzelnd verschränkte ich die Arme, rollte meine Schultern mit kreisenden Bewegungen. Michael setzte sich zu mir. Ich versteifte mich, rückte leicht von ihm ab.
»Tu nur nicht so«, sagte er. »Ich weiß, daß du es magst. Ich kenne dich besser als du selbst. Du hast genau die Art, die solche Frauen haben. Wahnsinnig erotisch, aber anders als Frauen, die einem Mann gefallen wollen. Natürlich hast du Hemmungen, die hat jede Frau. Aber das ist es ja gerade, was die Sache so aufregend macht. Bitte, Julie, tu es! Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst! Für diese Dinge muß man sich Zeit nehmen.«
Meine Augen kehrten zu der Frau zurück, zu der Frau auf dem Bildschirm. Ihr lustvolles Stöhnen erfüllte das Zimmer. Der Mann mit der Videokamera lehnte sich vor wie ein Frauenarzt, um einen besseren Einblick zu gewinnen.
Ich zuckte zusammen, als Michaels Hand sich auf meinen Nacken legte. Er nahm einen großen Schluck.
»Das gefällt dir, nicht wahr? Nein, widersprich mir nicht. Ich weiß, daß es dir Spaß macht. Ich träumte schon immer von einer rothaarigen Frau. Ich dachte nicht, daß ich ihr in Tokio begegnen würde. Jetzt bin ich besoffen genug, um dir zu sagen, wem du gleichst. Einer Füchsin gleichst du, einer schlanken, gefährlichen, scharlachroten Füchsin.«
Schauer überfielen mich in Wellen. Die alte
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