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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Ohr mit einem feuchten Mund. Jemand, der mich getötet hatte und es nochmals tun wollte.
    »Antworte mir.«
    Ich schüttelte wortlos den Kopf.
    Draußen regnete es. Die Straßen glänzten vor Nässe. Michael sah sich nach einem Taxi um. Endlich hielt eines, unmittelbar vor uns. Einige Männer stiegen aus. Michael schob mich rasch in den Wagen, ließ sich schwer atmend neben mir auf den Sitz fallen und gab dem Chauffeur eine Adresse. Er hielt mich an sich gedrückt, eine besitzergreifende, fast aggressive Umarmung.
    Die Lichter flackerten über die nassen Straßen und Autos, über die Fußgänger mit ihren Regenschirmen und die taghell erleuchteten Pachinko-Hallen. Dann fuhren wir durch ein Viertel, das ruhiger war. Nach einer Weile hielt der Wagen.
    Hinter der Scheibe schimmerte rotes Licht; die Straße schien davon erhellt. Der Chauffeur wandte Michael sein ausdrucksloses Gesicht zu. Michael zog ein paar 94
    Scheine aus einem Fach seiner Ledertasche. Der Chauffeur zählte gewissenhaft das Wechselgeld zurück. Die Tür sprang auf. Der flammendrote Lichthof flackerte mir entgegen. Vor mir erhob sich ein Gebäude, von Scheinwerfern angestrahlt. Es sah aus wie ein Schloß aus Zuckerguß, mit Türmchen und Erkern, wie eine Kulisse aus Hollywoods kitschigstem Filmatelier.
    Ich blinzelte durch die roten Regentropfen und sah Michaels Gesicht, glänzend vor Nässe.
    »Das ist ein Stundenhotel – ein Lovehotel, wie sie es hier nennen. In Tokio gibt es Hunderte davon. Die Branche hat immer Hochkonjunktur, und ihre Besitzer zählen zu den größten Steuerhinterziehern Japans. Dieses hier heißt Der rote Spiegel. Höchst eindrucksvoll, du wirst sehen.«
    Er nahm meinen Arm. Wieder dieses harte, besitzergreifende Zupacken. Ich folgte ihm, stumm und steif. Unter dem bogenförmigen Eingang war die blanke Haustür geschlossen. Michael zog eine Chipkarte hervor und tippte einige Codezahlen auf eine an der Hauswand angebrachte Tastatur. Ein elektronisches Auge blinkte.
    »Das ganze Haus wird computergesteuert«, erklärte Michael. »Man hat an so ziemlich alles gedacht. Du kannst zwar heraus, wann du willst, aber herein kommst du nicht ohne Mitgliedskarte, und die ist ziemlich teuer. Das Zimmer mußt du schon bei der Reservierung bezahlen, und das Personal bekommst du nur auf ausdrücklichen Wunsch zu Gesicht.«
    Der Türflügel öffnete sich mit leisem Surren. Kaum hatten wir die Schwelle überschritten, ging die Tür hinter uns wieder zu. Die ziemlich kleine Halle war wie ein Boudoir aus dem neunzehnten Jahrhundert eingerichtet. Ein dicker Teppich, ein mit Brokatstoff bezogenes Sofa, zwei Polstersessel, ein verschnörkeltes Tischchen mit Marmorplatte. Das Messing war glänzend poliert, und auf einem Spitzendeckchen lag neben dem kristallenen Aschenbecher eine Streichholzschachtel, fertig zum Gebrauch. Ein Kronleuchter mit Glasbehang funkelte an der mit Reliefs geschmückten Decke. Aus dem Lautsprecher rieselte Musik.
    Eine rotbezogene Tür schwang plötzlich auf. Eine Frau erschien; sie mußte um die fünfzig sein und trug ein hochgeschlossenes Abendkleid aus glatter schwarzer Seide. Ihre Hüften waren prall, ihr Busen üppig, ihre Taille wespenhaft schmal.
    Lächelnd verneigte sie sich, während ihre glänzenden Augen in Sekundenschnelle scharf und prüfend über mich hinwegzuckten. Sie begrüßte Michael wie einen alten Bekannten und händigte ihm einen Schlüssel aus, der an einer roten Quaste baumelte.
    »Domo«, erwiderte Michael, kurz angebunden. Er ging auf einen Aufzug zu und drückte auf den Knopf. Als ich mich umwandte, war die Frau verschwunden.
    Schon tauchte der Lift auf, die Schiebetüren glitten surrend zurück. Wir traten ein; die Schiebetüren schlossen sich. Der Aufzug war mit rotem Brokat bezogen, der im 95
    Licht verschiedene Schattierungen annahm. Viertes Stockwerk. Schon hielt der Aufzug mit leisem Ruck. Die Türen glitten auf. Michael nahm meinen Arm. Mein Atem flatterte. Er führte mich durch einen langen Flur. Auch rot. Hier in diesem Haus war alles rot. Am Ende des Flurs blieb er vor einer Tür stehen. Sogar die Tür war mit einer roten Lackschicht überzogen. Michael schloß auf. Im Raum brannte bereits Licht. Michael schob mich vorwärts, ich trat ein. Vor mir, im Halbdunkel, regten sich zwei Schatten. Ich erstickte einen Aufschrei, sah aber im gleichen Atemzug, daß die Wände mit Spiegeln bedeckt waren. Alle Wände, die Decke auch. Überall Spiegel, die einander reflektierten. Ein Kronleuchter wie in

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