Silbermuschel
Leib in Flammen stehen. Mein Atem keuchte in jäher Angst, daß es gleich vorbei sein würde, diese Sturzflut von Seligkeit, wirbelnd, stechend und brennend. Er war noch immer in mir, er würde sich niemals von mir lösen, ich spürte ihn wie die Wärme einer Flamme in meinem Rücken, machtvoll und sanft zur gleichen Zeit; so nahe war der Druck, daß er innen in meinem Knochenmark hätte sein können. Ich spürte, wie der Schmerz sich ausbreitete, in Hüften, Schenkel und Knie fuhr, und in dem Augenblick, als seine heiße, verzehrende Flut in mir zuckte, schwieg das Telefon. Ich lag auf den Knien und spürte Kens Gewicht, das mich niederdrückte.
Sein Haar fiel über mein Gesicht, eine dunkle, knisternde Wolke aus Schwarz, die jeden Gedanken auslöschte. Ich hörte mein Blut wie Wasser in den Ohren rauschen. Jedes Geräusch, jedes Gefühl verschwand in weiter Ferne.
Ich tauchte aus der Ohnmacht empor wie aus dem tiefen Schacht eines Brunnens. Starke, feste Arme hoben mich hoch. Ich preßte den Kopf an eine warme Schulter, meine Finger klammerten sich in den Arm, der mich umschlungen 152
hielt. Ich fühlte, wie Ken mich ins Badezimmer trug, mich behutsam auf die Füße stellte. Ich hörte das Geräusch fließenden Wassers und schlug benommen die Augen auf. Er stützte mich mit seiner Schulter, während er ein Handtuch naßlaufen ließ und es dann auf meine Stirn drückte und behutsam mein glühendes Gesicht abtupfte. Meine Glieder waren schwer wie Blei, doch langsam kam ich wieder zur Besinnung. Inzwischen regulierte Ken das aus der Brause strömende Wasser, hob mich in die Badewanne. Er ließ den Strahl über mich laufen, wusch mich wie ein Kind, brauste mich ab, auch die Haare. Dann stieg er zu mir in die Wanne, das lange Haar mit Wassertropfen bestäubt.
»Kälter?«
Ich nickte. Er drehte das Wasser an, bis es eiskalt war und meine Haut beim Hauch des frischen Luftzugs schon im voraus prickelte. Er schüttete sich das Wasser mehrmals ins Gesicht, als könne er nicht genug davon kriegen, trank einen tiefen Schluck und ließ den scharfen Strahl über seinen Körper laufen, bevor er ihn auf mich richtete. Ich schrie kurz auf, während das Wasser auf meine Haut trommelte. Frisches neues Blut sprudelte dicht unter meiner Haut, bis in die Fingerspitzen.
Ken lachte mich an.
»Gut so?«
Nach einer Minute drehte er das Wasser wieder zu. Er nahm ein Frotteetuch, wickelte mich darin ein, trocknete und rubbelte mich ab. Er setzte sich vor mich auf den Wannenrand, tupfte behutsam meine Brustwarzen ab, rieb auch meine Beine, rubbelte an der Außenseite der Oberschenkel, dann an der Innenseite.
»Ist dir jetzt besser?«
»Entschuldige«, sagte ich, immer noch leicht benommen. »Ich glaube, du hast nichts davon gehabt.«
Er warf sein nasses Haar aus dem Gesicht und blickte mich an, den Schalk in den Augen.
»Ich und nichts gehabt! Wie kommst du darauf? Ich bin fast verrückt geworden.«
Schweigen. Wir sahen einander an. Ich holte tief Luft.
»Mir war, als müßte ich sterben.«
»Mir auch«, erwiderte er rauh. Sein Gesicht war plötzlich ernst geworden.
»Sag mir… erlebst du das öfters… so einen Zustand?«
»Nein. Es war das erste Mal.«
Er stand auf, nahm mich in seine Arme, umarmte mich kräftig und voll ungestümer Freude.
»Bin ich der einzige, der das fertiggebracht hat? Nur ich?«
Ich schloß halb die Augen.
»Nur du«, flüsterte ich.
Wir blickten einander kurz an und trennten uns fast im selben Augenblick, in 153
dem wir uns umarmt hatten. Stumm gingen wir in das Zimmer zurück. Alles, was die Liebe uns ein für allemal an Vertrautheit und an Gewißheit zu schenken vermochte, alles, was ein Mann und eine Frau sich voneinander wünschen und empfangen konnten, hatten wir in einem Atemzug verspürt.
Ich trat ans Fenster, immer noch in mein weißes Frotteelaken gewickelt, und blickte nach draußen. Das weiße Mittagslicht schien mir ins Gesicht. Ich spürte, wie mir die Tränen kamen. Er trat neben mich, legte den Arm um meine Schultern.
»Bist du traurig? Warum?«
»Ich bin nicht traurig«, flüsterte ich rauh. »Ich bin so dankbar, diese Augenblicke mit dir erlebt zu haben. Oh, Ken, was tust du mir an? Ich bin so verletzlich jetzt.«
Zärtlich, spielerisch küßte er mich auf die Schläfe.
»Es ist Liebe, Julie-san. Du weißt, daß es Liebe ist. Du und ich, wir können nicht miteinander schlafen – nicht so, wie wir es tun – und unsere Herzen aus dem Spiel lassen.«
»Du hast mich so
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