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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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glücklich gemacht, nur schon dadurch, daß ich dich kenne.
    Ich darf nicht mehr verlangen. Aber der Gedanke, mich von dir zu trennen…«
    Ich stockte; mein ganzer Magen war in Aufruhr.
    »Wie kommst du auf den Gedanken, daß wir uns trennen müssen?« fragte er ruhig.
    »Sag nichts«, rief ich in plötzlicher Verzweiflung. »Wir wollen uns doch nicht selber täuschen.«
    »Liebste«, sagte er, »mach dir keinen Kummer. Laß uns sehen, was werden wird. Meines Erachtens stehen uns keine Schwierigkeiten im Weg, die wir nicht auf irgendeine Weise beseitigen können.«
    Eine sonderbare Stumpfheit überkam mich. Er war so rasch und feinfühlend, wenn es galt, meine Empfindungen zu erraten, geradezu aufregend. Aber das war es auch, was mich so beunruhigte. Es gab Worte in mir, die nie nach draußen drangen, Visionen, die mich von Traum zu Traum hetzten. Ich wollte lieber sterben als ihm sagen, was mit mir los war.
    »Du kennst mich nicht richtig. Ich bin innerlich… nicht rein. Ich kann nichts dafür, daß es so gekommen ist, aber jetzt bin ich nun einmal so. Eines Tages wirst du mich verabscheuen. Es ist besser, wenn es nie soweit kommt.«
    Er faßte nach meiner Hand und preßte sie an seine Stirn.
    »Du bist ein Teil von mir. Und stärker, als ich es je sein werde.«
    Seine Stimme klang plötzlich anders, schleppend und etwas heiser. Ich sah verwirrt zu ihm empor.
    »Woher weißt du das?«
    Er sah mich an, wie noch nie ein Mann mich angesehen hatte: Es war, als ob er mir aus seinen schimmernden Augen eine Botschaft herübersandte, einen Schicksalsspruch.
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    »Woher ich das weiß? Gib mir die Hand! Ich spüre in dir eine tiefe Kraft, eine Schwingung, fern und doch vertraut. Sie kommt von weither, sie zieht einen Kreis um mich. Du hast Angst… ganz entsetzliche Angst. Aber eines Tages wirst du davon befreit sein. Dann werde ich dein Schatten sein, die Flügel, die den Spiegel tragen, der Baum, der deinen Schlaf bewacht…«
    Die dumpf ausgesprochenen Worte weckten in mir ein Frösteln, ein ganz unwirkliches Gefühl. Sie erinnerten mich an ferne Träume, an das Unbewußte und das Wunderbare. Sie legten einen Bann auf mein Herz, dessen Sinn ich nicht verstand, nicht zu verstehen wagte, aus lauter Angst, in Tränen auszubrechen.
    »Sei still!« flüsterte ich. »Bitte, sei still!«
    »Gomennasai – entschuldige! Ich habe nur laut gedacht. Das kommt, weil ich viel draußen bin, am Strand oder in den Bergen. Und auch, weil ich die O-Daiko schlage und ihre Vibration in mich aufnehme. Ich denke oft in Bildern, und es kommt vor, daß diese Bilder greifbare Formen annehmen.«
    Seine Stimme klang verhalten und wie darum besorgt, etwas Geheimnisvolles nicht durch zu viele Erklärungen zu gefährden. Er lächelte spöttisch, fast etwas zerknirscht.
    »Glaubst du, daß du dich mit meinen Eigenarten abfinden kannst?«
    Ich schüttelte fassungslos den Kopf.
    »Du bist wie hundert Männer in einem.«
    Er kam wieder völlig zu sich und lachte schallend.
    »Das gefällt mir, wie hundert Männer zu sein für dich.«
    Die leichte Verlegenheit war gänzlich von ihm gewichen. Er stand im Sonnenlicht, entwirrte sein Haar mit beiden Händen. Es hing über seine Schultern, kraftvoll und geschmeidig; ich wunderte mich nicht darüber, daß manche Leute im Haar ein Sinnbild der Seele, der Lebenskraft sehen.
    »Mir gefällt dein Haar«, sagte ich. »Das gibt dir so viel Extravaganz.«
    »Im alten Japan war langes Haar Tradition. Auch für Männer.«
    »Seit wann hast du es wachsen lassen?«
    Ein kurzes Schweigen folgte. Ich warf einen Blick auf seinen erhobenen Arm –
    und staunte: Er war von einer Gänsehaut überzogen. Doch schon erwiderte er in seiner schnellen, nachlässigen Art: »Meine Schwester hatte längeres Haar.«
    Er hob die dunkle Fülle mit beiden Händen, warf sie wie eine Wolke aus der Stirn. Sein Gesicht war plötzlich ausdruckslos.
    »Hast du einen Kamm?«
    »Im Badezimmer.«
    Einen Augenblick später kam er wieder heraus, das Haar mit dem roten Band am Hinterkopf befestigt. Ich saß auf der Bettkante und sah ihm zu, wie er im Zimmer umherging, die Decken hochhob, das Kissen ausschüttelte. Ich betrachtete ihn wie nie zuvor einen Mann, mit sinnlichem Entzücken. Keine Frau konnte unberührt bleiben von den geschmeidigen Bewegungen seiner Schultern und 155
    Hüften und Schenkel, dem Spiel von Licht und Schatten auf seiner glänzenden Goldhaut. Und doch lag in der fast provozierenden Anmut, mit der er sich unbekleidet bewegte,

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