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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Fahnen eine wehende Wellenlinie. Durch die überdimensionale Empfangshalle führten Rolltreppen in das Zwischengeschoß. Riesige Kristallüster verbreiteten weiches Licht. Der Aufzug brachte uns in das oberste Stockwerk.
    Franca und ich blickten durch die riesigen Panoramafenster. Unter uns, in tiefer Schwärze, kräuselte sich die Stadt wie eine Wasserfläche, in unruhigen Schuppen himmelwärts blinkend, von Leuchtstreifen durchwoben. Der Cocktail wurde in der Lounge serviert. Kronleuchter, Scheinwerfer, verwirrend schöne Blumenarrangements. An den seidenbezogenen Wänden hingen stark vergrößerte Farbfotos. Die Schweiz als intaktes Ferienland: Bergschluchten und blaue Seen, Skifahrer im Pulverschnee, das Matterhorn, die Eigernordwand. Franca blinzelte mir amüsiert zu.
    »Heidiromantik und Gipfelrausch. Der Verkehrsverein weiß, wie man die Schweiz im Fernen Osten auf den Markt bringt.«
    Sie hatte ein Kleid mit breiten Schulterpolstern und straffem Gürtel an, schwarz mit gelben Blumen. Die Haut ihrer Beine schimmerte durch die schwarzen Strümpfe. Ihre Füße wölbten sich in Lackpumps mit sehr hohen Absätzen. Sie trug lange goldene Ohrringe, die bei jeder Kopfbewegung das Licht auffingen. Ihr Haar und ihre Lippen glänzten, ihre Brauen waren fast erschreckend dunkel; sie sah sehr südländisch, sehr theatralisch aus.
    Auf der Schwelle der Lounge standen der Schweizer Botschafter und seine Frau, in Silberlamé. Ein Beamter kontrollierte unsere Einladungskarten, ein Sekretär stellte uns vor. Der Botschafter und seine Frau gaben uns die Hand, ein wohlwollendes Lächeln auf dem Gesicht, während sich ihre Augen bereits den nächsten Gästen zuwandten. Es waren schon viele Leute anwesend. Kellner, Tabletts mit Waadtländer Weißwein über ihren Köpfen balancierend, wanden sich durch die Gruppen. Auf silbernen Schüsseln wurden Pasteten in Blätterteig und Emmentaler Käsehäppchen gereicht. Wir schoben uns durch die Menge; das Gedränge hinderte Franca nicht daran, unverzüglich die Leute aufzuspüren, die sie sehen wollte. Knapp eine Minute später hatte sie Peter Brunner entdeckt, der uns auf seine nette Art begrüßte.
    »Na, wie hat es Ihnen in Tokio gefallen? Sind Sie mit Ihrer Arbeit zufrieden?«
    Franca verzog das Gesicht.
    »Mir wurde zuviel Fisch vorgesetzt. Und der Espresso schmeckt auch nicht wie in Italien. Davon abgesehen, habe ich nicht viel zu meckern. Wie war’s denn auf der Messe?«
    Brunner rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Augen. Er erstickte ein Gähnen. »Entschuldigen Sie, die Messe war ein einziger Streß!«
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    Ich lächelte ihn an.
    »Sind Sie müde?«
    »Ich schlafe im Stehen ein. Sofort nach dem Essen mache ich, daß ich heimkomme. Ihnen scheint Tokio zu bekommen. Sie sehen blendend aus.«
    Ein Kellner hielt uns sein Tablett hin. Peter reichte uns zwei Gläser. Franca trank schnell. Ich hielt nur das Glas in den Fingern. Ein schmächtiger dunkelhaariger Mann schüttelte Peter die Hand. Er war in Begleitung einer Japanerin, ganz in Azurblau, mit einem Lotoslächeln auf ihrem weichen Gesicht.
    Er wurde uns als Andreas Wyss, Leiter des Schweizer Verkehrsvereins in Tokio, vorgestellt. Die Japanerin hieß Keiko Ogawa und war – wie Peter es ausdrückte –
    seine »unentbehrliche rechte Hand«.
    »Die Japaner schwärmen für Schweizer Brauchtum«, sagte Wyss. »Kürzlich hat Frau Ogawa einen Jodlerchor aus dem Appenzell verpflichtet. Die Alphornbläser waren die Sensation des Abends.«
    Keiko Ogawa lächelte milde.
    »It’s so cute, so refreshing charming. I really love it.«
    Wir wanderten weiter. Franca sagte:
    »Der Mann ist dafür bekannt, daß er in seinem Büro sitzt und Briefmarken sammelt. Inzwischen schafft seine rechte Hand Alphornbläser nach Tokio.«
    Ein kleiner Mann mit rosiger Glatze kam auf mich zu und begrüßte mich überschwenglich.
    »Ach, guten Abend, guten Abend! Erinnern Sie sich noch an mich? Jo Leuenberger! Wir haben uns auf der Messe kennengelernt.«
    Ich freute mich, ihn zu sehen.
    »Wie geht’s Ihnen denn?«
    »Oh, ganz mittelprächtig! « Der kleine Mann rieb sich die Hände mit kratzendem Geräusch. Ich bemerkte, daß er wieder seinen Ehering trug. »Tokio ist mein ganz privates Eldorado, ich kann niemals genug davon kriegen. Und morgen fliege ich ab. Die Schweiz! Hier ist schon der Vorgeschmack! « Er deutete vielsagend auf ein Stück Emmentaler und steckte es in den Mund. Ich mußte lachen.
    »Wie läuft denn das Geschäft?«
    »Nicht schlecht

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