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Silbernes Band (German Edition)

Silbernes Band (German Edition)

Titel: Silbernes Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Jaedig
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begann, die Erde, die neben dem Grab aufgehäuft war, hineinzuschaufeln. Er tat es langsam und sorgfältig, liess die klebrige Erde behutsam auf den Sarg fallen. Fionn könnte es nicht ertragen, wenn ein Fremder diese Arbeit verrichten würde. Womöglich mit einer dieser grässlichen Maschinen. Dies war seine Aufgabe. Er hatte ihr den Tod gebracht, also musste er sie auch zur Ruhe betten. Im Tod war sie wieder sein. Ein letztes Mal gehörte sie nur ihm.

    Während Fionn Erde ins Grab schaufelte, erreichten Rúna und Heiðar die kleine Wohnung an der Njálsgata. Die Räume waren von unausgesprochenen Dingen erfüllt. Rúna überlegte, wie sie ihn am besten trösten könnte. Nicht genug, dass er heute seine Mutter beerdigen musste, sie wusste, dass er sich schrecklich quälte wegen ihrer Blutergüsse. Sie fand keine passenden Worte in diesem lähmenden Schweigen und beschloss, einfach für ihn da zu sein, wollte ihn spüren lassen, wie sehr sie ihn liebte.

    Er tigerte rastlos durch die Wohnung und fand keine Ruhe. Rúna ging zu ihm hin und wollte ihn umarmen, doch er wich ihr aus. Verletzt blieb sie stehen, kämpfte mit den Tränen. „Sprich mit mir!“ Er fuhr sich durch die dunklen Locken und liess sich aufs Sofa fallen. „Ich muss morgen früh wegfahren. Ich bleibe nicht lange, übermorgen bin ich wieder da.“ Sie runzelte irritiert die Stirn. „Warum, ...und wohin?“ Er atmete heftig aus und blickte zu Boden. „Nach Oslo. Den Grund kann ich dir nicht sagen. Es tut mir leid.“ Mühsam schluckte sie die aufkommenden Tränen herunter. „Du vertraust mir nicht. Glaubst du nicht, dass ich dich trotz allem liebe?“

    Er sprang vom Sofa auf, stand plötzlich vor ihr und packte ihren rechten Arm. Sie zuckte heftig zusammen, als er den schmerzenden Bluterguss berührte, grob den Ärmel ihres Pullis zurückstreifte und mit flackerndem Blick auf den hässlichen Fleck am Oberarm starrte. „Du solltest mich hassen für das, was ich dir angetan habe!“ Fluchtartig verliess er das Wohnzimmer und liess sie stehen. Sie konnte ihre Tränen nicht länger zurückhalten, und sie konnte unmöglich hierbleiben! Schluchzend stürzte sie ins Schlafzimmer hinüber und packte fahrig ihre Sachen zusammen.

    Er stand reglos in der Küche und blickte starr zur geöffneten Balkontür hinaus. Die kalte Spätherbstluft sollte in seine Lungen strömen, um die Begierde etwas zu mildern. Er musste sie wegschicken, bevor er die Beherrschung verlor. Gleichzeitig wollte er sie in seine Arme ziehen, sich an ihr festhalten und ihr alles erzählen.

    Ihre leisen Schritte kamen näher. Er konnte es nicht ertragen, wenn sie weinte. Sie blieb auf Abstand, wagte nicht, ihn zu berühren. „Ich muss jetzt nach Hause. Bitte ruf mich an, wenn du wieder da bist.“ Er wandte den Kopf und nickte stumm. Sie schlüpfte in ihren Mantel und die Stiefel, hoffte vergeblich, er würde versuchen sie aufzuhalten, dann verliess sie wortlos die Wohnung.

    Heiðar floh aus der erdrückenden Enge, versuchte beim Laufen über bucklige Wiesen seine Rastlosigkeit abzustreifen. Schliesslich musste er sich morgen in ein Flugzeug voller Menschen setzen. Er rannte, schrie und tobte, bis er sich endlich etwas ruhiger fühlte. Da er wohl sowieso keinen Schlaf finden würde, blieb er bis weit nach Mitternacht draussen in der Heide.

Trost

    Snorri erkannte sofort, dass etwas nicht in Ordnung war, als Rúna unerwartet nach Hause kam. Sie weinte. Ihm war klar, dass das nicht nur daran lag, weil heute Heiðars Mutter beerdigt wurde.

    „Darf ich reinkommen.“ Er erhielt keine Antwort, also öffnete er die Tür zu ihrem Zimmer und ging einfach rein. Rúna lag schluchzend auf ihrem Bett, das Gesicht ins Kopfkissen vergraben. Snorri setzte sich auf den Rand der Matratze. „Du hattest wohl einen ziemlich harten Tag.“ Ihre Antwort war ein heftiges Schluchzen. Sachte strich er über den bebenden Rücken. „Gibt es einen bestimmten Grund, weshalb du nach Hause gekommen bist?“ Sie liess ihrem Schmerz freien Lauf. „Komm her, mein Schatz“, Snorri zog sie in seine Arme, wiegte sie sanft, liess sich von ihr das Hemd nass heulen und wartete einfach ab, bis sie sich wieder etwas beruhigte.

    „Heiðar war vorhin so abweisend zu mir“, begann sie schniefend. „Ich hab doch bloss versucht, für ihn da zu sein, um ihn zu trösten...“ - „Bestimmt hat er es nicht böse gemeint. Ich kann mir vorstellen, wie traurig er über den Verlust seiner Mutter ist. Bei der Beerdigungsfeier

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