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Silbernes Band (German Edition)

Silbernes Band (German Edition)

Titel: Silbernes Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Jaedig
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Guðbrandur mit den ausdrucksstarken eisblauen Augen das erste Mal ins Bild kam. Rúna schniefte noch einmal und schmiegte sich an Snorris Schulter.

    Keiner von ihnen bemerkte den lautlosen Schatten, der sich die ganze Zeit über in ihrer Wohnung aufhielt.

    Wie immer schlief sie vor Ende des Films ein, was Snorri und Palli schlichtweg unbegreiflich war. „Ich trag sie rüber“, flüsterte Snorri, während der Abspann lief. Als er sie sachte hochhob, erwachte sie halb. „Leihst du mir ein T-Shirt?“ - „Natürlich. Du kannst dir aber auch deinen Pyjama anziehen, der hängt gleich da überm Stuhl.“ Er setzte sie vorsichtig neben dem Bett ab und reichte ihr den roten Zweiteiler. „Danke.“ Sie legte den Pyjama aufs Bett und zog sich ungeniert den schwarzen Rollkragenpullover über den Kopf. „Was hast du da?“ Snorri trat näher und hob ihren rechten Arm an, um den dunkel verfärbten Bluterguss genauer zu betrachten. „Das... Es ist nichts...“ Sie entzog ihm hastig den Arm und drehte sich so, dass er nicht auch noch die Prellung am Rippenbogen zu sehen bekam. „Das sieht übel aus. Was ist passiert?“

    Rúna wurde knallrot. „Nichts weiter, ich bin bei der Arbeit gegen ein Regal gestossen.“ Ihr beschwichtigendes Lächeln geriet zu einer hilflosen Grimasse. „Bist du sicher? Oder ist das der wahre Grund, warum du nach Hause gekommen bist?“ – „Lass mich, ich muss ins Bad.“ Sie angelte mit der rechten Hand nach dem Pyjama, hielt den linken Arm krampfhaft an den Körper gepresst und stürmte aus dem Zimmer. Snorri versuchte sie aufzuhalten, aber sie schubste ihn einfach beiseite. „Hat er dir etwas angetan? Rúna!“ Weg war sie, er hörte bloss noch, wie der Schlüssel im Bad herumgedreht wurde.

    Er blieb stur im Zimmer und wartete, bis sie zurückkehrte. Sie vermied es ihn anzusehen, schlüpfte schnell unter die Decke und gab vor, schlafen zu wollen. „Hör mal. Ich kann dich nicht zwingen, mir davon zu erzählen...“ – „Ich sagte doch schon, dass ich in ein Regal geknallt bin!“ – „Okay, beruhige dich. Es war also ein Regal.“ Sie schwiegen sich an und starrten Löcher in die Luft.

    „Teddybär?“ Rúna nickte stumm, also legte er sich neben sie. Er musste auf andere Weise versuchen, die Wahrheit aus ihr herauszubekommen. „Komm her, mein Herz. Du hattest einen ziemlich beschissenen Tag.“ Sie warf sich in seine Arme und schmiegte das Gesicht an seine Schulter. Snorri roch ziemlich gut, irgendwie nach eiskaltem Quellwasser, aber natürlich nicht so gut wie Heiðar. Er strich liebevoll über ihren Rücken und lauschte den regelmässigen Atemzügen. „Du weisst, dass du mir alles erzählen kannst.“ Sie nickte an seiner Schulter und schluckte tapfer, um zu verhindern, dass sie wieder zu weinen begann. Während Snorri Rúna in den Schlaf streichelte, brachte Palli klaglos die Küche in Ordnung, summte dabei den neuesten Hit seiner Lieblingsband Bassi Húnn.

    Als sie eingeschlafen war, löste sich Snorri vorsichtig aus der Umarmung, stand leise auf und schlich auf Zehenspitzen aus dem Zimmer. In der Küche war Palli gerade dabei, frisch gebrühten Kaffee in zwei Becher zu giessen. „Was war denn los, vorhin?“, wunderte er sich. Snorri nahm einen der Kaffeebecher vom Tisch, hielt ihn mit beiden Händen, als brauchte er etwas um sich daran festzuhalten. „Rúna hat einen hässlichen Bluterguss am Arm. Sie sagt, sie hat sich an einem Regal gestossen“, teilte er seinem Liebsten mit bedeutungsvoller Miene mit. „Du glaubst, es steckt etwas anderes dahinter? Heiðar?“ Snorri stiess geräuschvoll die Luft aus. „Ich kann’s mir eigentlich nicht vorstellen... Es wäre schrecklich. Aber... Rúna war so komisch, ich kann ihr die Geschichte mit dem Regal nicht abnehmen. Wenn sie doch bloss mit uns reden würde!“ – „Du meinst, Heiðar hat ein Problem damit, sich zu beherrschen? Aber das passt doch überhaupt nicht zusammen... Ich meine, heute hat er seine Mutter beerdigt. Ist das ein Grund zuzuschlagen? Es ergibt keinen Sinn.“ Palli schüttelte in einem Fort den Kopf.

    „Wir müssen geduldig sein. Vielleicht erzählt sie morgen davon“, versuchte Snorri sie beide zu beruhigen. „Wir sollten uns ein wenig umhören“, schlug Palli vor. „Mein Halbbruder Sindri besucht die Schule in Breiðholt. Ich frag ihn, ob ihm irgendwelche Geschichten zu Ohren gekommen sind. Unsere Arbeitskolleginnen können uns möglicherweise auch ein paar Dinge erzählen. Bestimmt gibt es

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