Silbernes Mondlicht, das dich streichelt
seine Erinnerungslücken sich irgendwann wieder
schließen würden, war Aidan noch immer sehr beunruhigt.
Zum einen gab es da einen Namen, der
ihn beständig verfolgte, der Name und das reizende Gesicht, das zu ihm
gehörte. Neely. Wer war sie? Sie mußte einmal eine Rolle in seinem Leben
gespielt haben, dessen war er sicher, aber er konnte sich nicht erinnern, wo
und wann.
Tief in seinem Unterbewußtsein
jedoch quälte ihn das drängende Verlangen, die mysteriöse Frau zu finden.
Er betrat die Raststätte, ein
lärmendes, fröhliches Lokal, wo viel zu laut eine Musikbox spielte, aber
irgendwie fühlte Aidan sich besser unter all diesen Menschen. Er setzte sich an
einen Tisch in einer Ecke und griff nach der Karte.
Eine freundliche Kellnerin, deren
Namensschild sie als »Doris« auswies, nahm seine Bestellung auf. Während Aidan
seinen Kaffee trank, stürmte ein kleiner Junge herein und schwenkte strahlend
ein Blatt Papier. Er mußte ungefähr sieben sein, schätzte Aidan, er hatte
Sommersprossen, und zwei Zähne fehlten ihm.
»Sieh mal, Doris!« schrie das Kind
und kletterte auf einen der Stühle neben Aidan. Der Junge lächelte ihn an, als
würde er ihn kennen, nickte grüßend und richtete seine Aufmerksamkeit wieder
auf Doris. »Ein Brief von Tante Neely!«
Aidans Herzschlag setzte einen
Moment lang aus bei der Erwähnung des vertrauten Namens. Da er recht
ungewöhnlich war, mußte er diese Frau also hier in Bright River getroffen
haben!
»Was schreibt sie, Danny?« fragte
Doris lächelnd, während sie einen Teller mit gegrilltem Huhn, Kartoffelpüree
und grünen Bohnen vor Aidan auf den Tisch stellte.
Danny hielt den Brief noch immer in
der Hand, und Aidan mußte sich sehr zusammennehmen, um ihm das Blatt nicht aus
der Hand zu reißen. »Sie ist nicht mehr in Phoenix, sie ist in Colorado«, erklärte
der Junge mit wichtiger Miene. »Sie hat eine Zeitlang in einem Büro gearbeitet,
aber jetzt hat sie einen Job in einem Steakhouse. Tante Neely war es zu
langweilig, am Schreibtisch zu sitzen.«
Aidan wurde ganz warm ums Herz, und
er war belustigt, aber beides waren Gefühle, für die er keinerlei Erklärung
fand. Er nahm einen Bissen von seinem Essen, aber sein Appetit war verflogen.
»Und sieh dir diese tolle Briefmarke
an!« sagte Danny und legte einen pinkfarbenen Umschlag auf die Theke.
Aidan renkte sich fast den Hals aus,
um den Absender zu sehen: 1320 Tamarack Road, Pine Hill, Colorado. »Ich habe
früher Briefmarken gesammelt, als ich jünger war«, bemerkte er beiläufig.
Danny strahlte ihn an. »Ich habe
bestimmt schon über tausend! Tante Neely schickt sie mir. Ich habe einen
ganzen Karton aus England.«
England. Das Wort löste eine weitere
Erinnerung aus, aber es war mehr ein Gefühl statt eines Bildes. Er war so
sicher gewesen, daß er der geheimnisvollen Neely in Bright River begegnet war
...
1320 Tamarack Road, Pine Hill,
Colorado, prägte er
sich in Gedanken ein.
»Deine Tante Neely muß eine
interessante Person sein«, bemerkte Aidan, als Doris Danny eine Tasse heiße
Schokolade gegeben hatte und zu einem anderen Tisch weitergeeilt war.
Dannys Augen leuchteten auf. »Das
ist sie. Sie hat für einen richtigen Senator gearbeitet. Aber er war ein
Verbrecher, und sie wäre fast umgebracht worden, weil sie dem FBI erzählte, was
er getan hat. Aber jetzt ist sie wieder sicher.«
Aidan runzelte die Stirn, denn die
Worte des Kindes weckten eine weitere Erinnerung in ihm, die er nicht
definieren konnte.
Er beendete seine Mahlzeit und
kehrte in sein riesiges, stilles Haus zurück, um dort ruhelos von einem Raum
zum anderen zu wandern.
Am Morgen rief Aidan die
Autovermietung an und bat sie, den Wagen mit dem er aus New York gekommen war,
abzuholen. Dann ging er in die Garage hinaus, wo sein weißer Triumph Spitfire
stand.
Er lächelte, als der Motor beim
ersten Versuch ansprang, und lenkte den Wagen auf die Straße nach Bright River.
Als erstes kaufte er Lebensmittel und andere Vorräte ein, und als er an einem
Blumengeschäft vorbeikam, fiel ihm ein riesiger Strauß weißer Rosen auf, der im
Fenster ausgestellt war.
Die Rosen zogen seinen Blick wie
magisch an, und wieder verspürte Aidan ein seltsames Drängen in seinem
Unterbewußtsein. Die Blumen besaßen irgendeine Bedeutung, dessen war er
sicher, aber er konnte sich nicht erklären, welche.
Langsam ging er zu seinem Wagen
weiter und verstaute seine Einkäufe auf dem Beifahrersitz. Dann kehrte er zum
Schaufenster des Blumengeschäfts
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