Silbernes Mondlicht, das dich streichelt
noch
freudigeren Sprung, als er seine Brust berührte und spürte, daß dort ein Herz
schlug. »Neely«, wisperte er, und Tränen rannen über sein halberfrorenes
Gesicht. »Neely.«
Als er das nächste Mal erwachte,
befand er sich in einem Krankenhaus, und sein ganzer Körper schmerzte von den
Frostbeulen, die er sich zugezogen hatte.
Aidan genoß diese Schmerzen jedoch,
denn sie waren nur ein weiterer Beweis dafür, daß ihm eine zweite Chance zuteil
geworden war.
Er war wieder ein Mensch.
Er hob eine Hand an den Mund, nicht
ohne Anstrengung, und befühlte seine Zähne. Seine Fänge waren verschwunden, er
ertastete nur ganz gewöhnliche Schneidezähne.
Als Aidan versuchte, sich
aufzurichten, drückte ihn eine Hand sanft aufs Bett zurück.
»Sie müssen sich ausruhen«, sagte
eine weibliche Stimme, die vermutlich einer Krankenschwester gehörte. »Sie
sollten wissen, daß Sie dem Tod sehr nahe waren.«
Er fühlte Tränen in seinen Augen
brennen, heiß und feucht. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie nahe. dachte
er. Ihm war verziehen worden, schien es, oder zumindest hatte man ihm
Gelegenheit gegeben, sich zu bessern. Und Aidan war fest entschlossen, das
Beste aus der ihm verbleibenden Zeit zu machen.
»Danke«, flüsterte er, als der
Schmerz wieder so unerträglich wurde, daß er sein Bewußtsein schwinden fühlte.
In den darauffolgenden Tagen verlor
Aidan jegliches Zeitgefühl, da er aus einer Ohnmacht in die nächste glitt.
Während der kurzen Momente jedoch, in denen er bei Bewußtsein war, erfreute er
sich an dem regelmäßigen Schlagen seines Herzens, seinen rauhen, aber
gleichmäßigen Atemzügen und dem Schmerz in seiner Hand, in der eine intravenöse
Nadel steckte. Sogar das Bedürfnis, sich zu erleichtern, war für ihn ein Grund
zum Feiern.
Als er zum erstenmal die Kraft
aufbrachte, die Augen zu öffnen, erblickte er graugrüne Klinikwände, ein
kleines Fernsehgerät in einer Zimmerecke und das monströse Eisenbett, in dem
er lag.
Ein Moment verstrich, bevor Aidan
merkte, daß es Nacht war und er klar sehen konnte. Die Erkenntnis erschreckte
ihn, und für einen Augenblick lang glaubte er, nur geträumt zu haben, daß er
wieder ein Mensch war.
Dann sah er den Vampir, der reglos
und majestätisch am Fußende seines Betts stand. Aidan erkannte das Wesen nicht,
was ihn noch mehr erschreckte. Unwillkürlich wich er ans Kopfende des Bettes
zurück und hielt den Atem an.
Der Fremde hob würdevoll die Hand.
Wie sein Gesicht glühte sie bleich in der Dunkelheit und hüllte ihn in ein
Strahlen ein, als hätte er den Mond verschluckt. »Keine Angst, Sterblicher«,
sagte das Wesen leicht gereizt. »Ich bin nicht gekommen, um Sie zu verwandeln,
sondern um Ihnen eine Botschaft der Bruderschaft zu überbringen.«
Aidans Herz pochte heftig. Er hatte
Angst, und doch erfüllte ihn die bloße Existenz des Pulsschlages mit einer
wilden Freude. »Was haben Sie mir zu sagen?« fragte er, und so verwundbar er
auch war, lag doch eine gewisse Herausforderung in seiner Stimme.
Der Vampir lachte leise. »Tobias
hatte recht«, sagte er. »Sie sind wahrhaftig tapfer bis zur Idiotie, Aidan
Tremayne 1« Er nahm mehrere Gegenstände aus den Innentaschen seines Mantels,
legte sie auf den Nachttisch und schaute Aidan dann lächelnd an. »Ich habe
Ihnen einen Pass mitgebracht. Kreditkarten und Geld. Sie haben Ihre
Eigenschaften als Vampir natürlich eingebüßt, und deshalb werden Sie sich jetzt
in der Welt der Sterblichen einen Platz schaffen müssen.«
Aidan schaute auf das Päckchen auf
seinem Nachttisch. Vorher hatte er keine Ausweispapiere und kein Geld
benötigt, doch für einen Menschen war beides unerläßlich. »Hat Maeve Sie
gebeten, mir zu helfen? Oder Valerian?«
»Weder noch«, erwiderte der Vampir
und trat ans Fenster, um hinauszuschauen. »Niemand weiß, wohin die beiden verschwunden
sind. Die Bruderschaft war nur der Ansicht, daß die Angelegenheit korrekt
abgeschlossen werden sollte — Ihr menschliches Leben war Ihnen genommen worden,
und jetzt ist es wiederhergestellt. In diesen modernen Zeiten ist es schwierig,
ohne Pässe, Geld und so weiter auszukommen.«
Aidan schwieg und dachte über die
Information nach, daß Maeve und Valerian verschwunden waren. Im ersten Moment
bedauerte er die Grenzen, die ihm als Mensch gesetzt waren, weil er nichts tun
konnte, um seiner Schwester oder seinem Freund zu helfen. Aber dann fand er
sich auch mit dieser Realität ab.
»Wie lange habe ich noch zu leben?«
fragte
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