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Silbernes Mondlicht, das dich streichelt

Silbernes Mondlicht, das dich streichelt

Titel: Silbernes Mondlicht, das dich streichelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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eifersüchtig
gehütetes Geheimnis.
    Valerian liebte Geheimnisse,
Mysterien und Rätsel aller Art, und deshalb war es gut, daß nur er und einige
wenige der älteren Vampire davon wußten. Durch sehr starke Konzentration war
Valerian imstande, sein Bewußtsein in die abgelegensten Winkel der Ewigkeit zu
transportieren, zwischen den Zeiten hin- und herzureisen und sich sogar noch
über den Moment seines menschlichen Tods und seiner Geburt als Menschenwesen
hinaus in der Zeit zurückzubewegen.
    Es war ein gefährliches,
kraftraubendes Unternehmen, das ihn oft so sehr erschöpfte, daß er danach
tagelang nicht fähig war, auf Jagd zu gehen. Und doch, obwohl er dies alles
wußte, vermochte Valerian gelegentlichen Streifzügen durch die Leere, bei denen
er jedesmal näher an den Beginn aller Zeiten heranreichte, nicht zu
widerstehen.
    An jenem besonderen Tag besaß er
noch einen zusätzlichen Anreiz, die gefährliche Reise zu unternehmen — die
Suche nach den ältesten, bestgehüteten Geheimnissen der Vampire, denn nur,
indem er sie fand, konnte er erfahren, was Aidan so verzweifelt zu wissen
begehrte.
    Bei Abenddämmerung erwachte Aidan und
erhob sich langsam aus seiner hockenden Stellung vor dem Kryptaeingang. Valerian
lag noch auf seinem Steinsockel, obwohl er wach war, und sein Körper wirkte auf
merkwürdige Art geschrumpft.
    Seine Haut hatte einen
gespenstischen Grauton, dunkle Schatten umgaben seine Augen. Er hob schwach die
Hand, um Aidan zu sich zu rufen, und obwohl keine Tränen in seinen Augen zu
erkennen waren, war es für Aidan offensichtlich, daß der ältere Vampir im
stillen weinte.
    Aidan schloß beide Hände um
Valerians erhobene Hand. Sie waren keine Freunde, gehörten jedoch der gleichen
Bruderschaft an und bewegten sich auf gemeinsamem Grund.
    »Was ist?« flüsterte Aidan. »Was
hast du getan?«
    »Ich bin zurückgekehrt ... um zu
suchen ...« Er brach ab und gab ein ersticktes Geräusch von sich. »Blut. Ich
... brauche ... Blut«, murmelte er flehentlich, umklammerte Aidans Finger und
zog ihn an der Hand zu sich herab. »Bring mir Blut.«
    Aidan, der eine unerklärliche
Dringlichkeit spürte, hielt sich nicht damit auf, die schreckliche Bitte in
Frage zu stellen. Er ging zur Tür der Krypta, schaute sich dort noch einmal um
und begab sich mit einer kurzen Anstrengung seines Willens in eine Zeit und an
einen Ort in London, den er schon häufig aufgesucht hatte.
    Innerhalb weniger Minuten kehrte er
zurück, gesättigt vom Blut eines Straßendiebs und Mörders. Von seinem Instinkt
geleitet, oder vielleicht auch durch die geistige Führung seines geschwächten
Gefährten, gab er die lebensspendende Flüssigkeit an Valerian weiter, indem er
seine Fänge in die pergamentartige Haut am Nacken des Vampirs bohrte. Dieser
Prozeß schwächte Aidan im ersten Moment so sehr, daß er die steinerne
Grabplatte umklammern mußte, um nicht zu fallen, und deshalb Valerians Kräfte
nur unzureichend wiederherzustellen vermochte.
    Der ältere Vampir seufzte und
versank in einen leichten, unruhigen Schlag. Seine Haut, die eben noch brüchig
gewirkt hatte wie uraltes Pergament, nahm eine schwache Färbung an, und seine
Gestalt erholte sich.
    Jetzt, nachdem die Krise beendet war
— was immer sie auch ausgelöst haben mochte — war Aidan nicht mehr imstande,
seine Ungeduld zu zügeln. Unruhig schritt er am Fuß von Valerians Lager auf
und ab. Der bloße Gedanke an die schreckliche Kommunion mit dem anderen Vampir
verursachte ihm heftige Übelkeit, und doch vermochte er nicht abzustreiten,
nicht einmal sich selbst gegenüber, daß bei dem abscheulichen Ritual auch eine
Art geistigen Austauschs zwischen ihnen stattgefunden hatte.
    Nach einer Weile bewegte sich
Valerian und öffnete die Augen. Er wirkte jetzt etwas kräftiger, aber seine
Stimme war noch rauh vor Anstrengung. »Laß mich jetzt allein, Aidan. Ich brauche
Ruhe.«
    Aidans Verzweiflung war so groß, daß
er versucht war, seinen Gefährten an den Schultern zu ergreifen und ihn
hochzuziehen. »Du hast versprochen, mir zu sagen, was du erfahren hast!« stieß
er hervor. »Du hast es versprochen, Valerian!«
    »Und ich werde mein Versprechen
halten«, antwortete Valerian mühsam. »Ich kann jetzt nicht ... davon sprechen.
Hab Erbarmen, Aidan.«
    »Sag mir nur eins«, beharrte Aidan
und ergriff Valerians kalte Hand. »Besteht noch Hoffnung? Kann ich wieder in
einen Menschen verwandelt werden?«
    Valerians Antwort klang gurgelnd,
als erstickte er an dem Blut, das

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