Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Silbernes Mondlicht, das dich streichelt

Silbernes Mondlicht, das dich streichelt

Titel: Silbernes Mondlicht, das dich streichelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
Vom Netzwerk:
verabscheue.«
    Valerian seufzte. »Ja«, gab er zu.
»Aber ein Überschuß an Nahrung würde deine Macht verstärken. Es ist wichtiger
denn je, daß du jetzt stark bist, Aidan.«
    Nun war es Aidan, der seufzte. »Noch
eine düstere Warnung?« entgegnete er und stellte die Spieldose an ihren Platz
zurück. »Was soll ich denn deiner Ansicht nach tun? Versuchen, an dieser
schändlichen Sache auch noch Vergnügen zu finden, wie du es tust?«
    Der ältere Vampir hieb seine
geballte Faust auf Aidans Schreibtisch. »Erspar mir deine Moralpredigten«,
zischte Valerian. Seine hellen Augen glühten, als er Aidan mit einem zornigen
Blick maß. »Andere haben Lisette gesehen. Sie ist wieder auf Tour.«
    Aidan fuhr sich mit der Hand durchs
Haar. »Vielleicht wäre es das beste, wenn ich mich ihr stellen würde.«
    Valerian schüttelte den Kopf. »Das
wäre in deinem momentanen Zustand katastrophal. Lisette ist die Königin aller
Vampire, der erste weibliche, der je erschaffen wurde. Selbst nach einem langen
Schlaf wird ihre Macht beträchtlich sein.«
    In Gedanken berührte Aidan Neely,
bezog Kraft aus ihrer Sanftheit und aus ihrer Wärme. Er mußte sie schützen, und
der beste Weg, das zu erreichen, war, für eine Zeitlang das zwanzigste
Jahrhundert und Connecticut zu verlassen. »Also gut«, sagte er rauh. »Ich
begebe mich in deine Hände, Valerian. Wir werden zusammen jagen, und ich bin
bereit, mir deine Ratschläge anzuhören. Aber eins mußt du mir zuvor
versprechen.«
    Der ältere Vampir erwiderte nichts,
zog nur in einer stummen Frage die Augenbrauen hoch.
    »Du mußt mir schwören, daß du nicht
zurückkehren wirst, um dir die Frau zu holen!«
    Valerian gab einen gereizten Ton von
sich. »Ich nehme an, du meinst Neely Wallace.«
    »Du nimmst ganz richtig an. Ich habe
gesehen, wie du sie betrachtet hast, und ich weiß, was du dir dachtest. Du mußt
mir dein Wort geben, daß du sie unbehelligt lassen wirst.«
    Valerian lachte, aber es klang alles
andere als belustigt. Er hob eine Hand. »Ich werde mich nicht von deiner
Kellnerin nähren«, sagte er feierlich. Dann, nach einer kleinen Pause: »Aber
vergiß nicht, Aidan, daß ich nicht für die anderen sprechen kann.«
    »Sie werden Neely in Ruhe lassen,
wenn du nicht ihre Aufmerksamkeit auf sie ziehst.«
    »Das gleiche gilt für dich, mein
Freund«, entgegnete Valerian mit einer weitausholenden, theatralischen
Handbewegung.

Fünf
    Valerian war nicht ohne Mitleid für Aidan,
und er empfand auch noch eine ganze Menge mehr für ihn. Tatsächlich hatte er
eine eifersüchtige Zuneigung zu dem jüngeren Vampir entwickelt und liebte ihn
mit einer Hingabe und Zärtlichkeit, die die irdische Bedeutung dieser Worte bei
weitem überstieg.
    Obwohl Valerian seit beinahe sechs
Jahrhunderten ein Vampir war, und die meiste Zeit ein glücklicher, bewahrte
auch er sich gewisse Erinnerungen an seine Zeit der Menschlichkeit. An die
Wärme der ersten Frühlingssonnenstrahlen auf wintermüder Haut zum Beispiel, an
die eigenartige Erleichterung, die einem heftigen Niesen folgte, oder den süßen
Schmerz nach unbändigem Gelächter und den Trost, den Tränen boten.
    Jetzt, als sie in einem schmutzigen
Londoner Pub saßen und so taten, als ob sie Bier tränken und Pastete äßen, um
diese letzten kostbaren Momente auszukosten, bevor sie wieder untertauchen
mußten, streckte Valerian die Hand aus und berührte den Arm seines Gefährten.
    Aidan zuckte zusammen. Er hatte
düster in die Luft gestarrt, seit sie das Schlachtfeld verlassen hatten, wo sie
sich zuletzt genährt hatten.
    »Haßt du es wirklich so sehr?«
fragte Valerian leise und mit für ihn erstaunlich schwacher Stimme. Es fiel ihm
schwer, Aidans Abneigung und seinen Ekel nachzuvollziehen; in seiner unendlich
langen Existenz war er nie einem anderen Vampir begegnet, der nicht mit dem
zufrieden gewesen wäre, was er war.
    Aidan lächelte erzwungen; er war ein
gutaussehender junger Mann und weckte Regungen in Valerian, die besser unangetastet
blieben. »Ja«, gab er leise zu. Seine Haut glühte noch von der eben erst
erfolgten Nahrungsaufnahme, doch seine Augen blickten traurig und verrieten
eine innere Beklemmung, die bei weitem jene überstieg, die die sterbenden
Soldaten, die sie an jenem Abend gesehen hatten, empfunden haben mußten. »Ja,
ich hasse es. Ich verabscheue es. Die Hölle selbst kann keine Qualen
bereithalten, die schlimmer für mich wären als dieser widerliche Drang!«
    Jeden anderen, der es gewagt hätte,
eine solche

Weitere Kostenlose Bücher