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Silbernes Mondlicht, das dich streichelt

Silbernes Mondlicht, das dich streichelt

Titel: Silbernes Mondlicht, das dich streichelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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Behauptung aufzustellen, hätte Valerian gefragt, warum er dann eine
Existenz als Vampir gewählt hatte. Aber hier handelte es sich um Aidan — den
einzigen Bluttrinker, von dem Valerian wußte, daß seine Transformation nicht
freiwilliger Natur gewesen war. So seufzte er nur und drehte den Holzlöffel in
den Händen. »Was kann ich daran ändern, Aidan? Was soll ich für dich tun?«
    Aidan richtete sich ganz
unvermittelt auf, straffte die Schultern, und in seinen Augen glühte etwas
auf, das nichts mit dem Fieber zu tun hatte, das der Nahrungsaufnahme folgte.
»Du bist — abgesehen von Lisette — der älteste Vampir in unserem Kreis, und
auch einer der unabhängigsten«, erwiderte er ruhig. »Falls es tatsächlich ein
Mittel gegen diesen verdammten Fluch gibt, mußt du es wissen — oder zumindest imstande
sein, herauszufinden, was es ist.«
    Valerian wandte einen Moment den
Blick ab und schaute aus dem schmutzigen Fenster der Taverne. Ein leichtes Grau
mischte sich bereits in die Schwärze der Nacht, die Morgendämmerung war nahe,
bald mußten sie Zuflucht suchen, um nicht von der Sonne zerstört zu werden.
»Ich habe einmal eine Geschichte gehört«, flüsterte er mit rauher Stimme. »Aber
ich bin sicher, daß es nur eine Legende war ...«
    Aidan erhob sich und baute sich
drohend vor ihm auf. »Sag es mir!« forderte er hart.
    Wieder seufzte Valerian. »Es bleibt
uns keine Zeit«, erwiderte er und hoffte, daß sein vorgetäuschtes Bedauern
seine Erleichterung verbarg. »Es ist fast Morgen.« Er stand auf und schaute
Aidan beschwörend an. »Komm. Ich kenne einen Ort, wo wir sicher ruhen können.«
    Er ergriff Aidans Arm und
umklammerte ihn grob, als der andere Vampir sich ihm entziehen wollte. Sekunden
später befanden sie sich in der Krypta eines Landfriedhofes, weit entfernt vom
geschäftigen, gefährlichen London.
    »Verdammt!« rief Aidan und stürzte
sich mit ausgestreckten Händen auf Valerian, als wollte er ihn erwürgen. Was
natürlich nur ein makabrer Scherz gewesen wäre, da Valerian weder richtig tot
noch richtig lebendig war. »Sag mir, was du über diese Legende weißt!«
    Valerian hob die Arme und errichtete
eine geistige Barriere zwischen ihnen, undurchdringlich wie eine gläserne Wand.
Er lächelte über Aidans Enttäuschung und gähnte ausgiebig. »Ich bin zu müde, um
Geschichten zu erzählen«, sagte er. »Wir werden darüber sprechen, wenn die
Abenddämmerung einsetzt.«
    Mit diesen Worten ging Valerian zu
einem Steinsockel, fegte die Knochen, den Staub und die Überreste eines Sargs
beiseite, der einst darauf geruht hatte, und streckte sich mit einem
zufriedenen Seufzer auf der kalten Steinfläche aus. Er sah Aidan zögern und
dann langsam zurückweichen, bis sein Rücken die schwere Tür der Grabkammer
berührte. Dort ließ er sich auf den Boden sinken und verschränkte die Arme um
die Knie.
    »Bis heute abend«, sagte er, und
obwohl seine Stimme schon sehr müde klang, lag ein warnender Ton darin.
    Wieder lächelte Valerian und schloß
die Augen. Im Gegensatz zu jüngeren, unerfahreneren Vampiren überließ er sich
nie vollkommen seinem Schlaf; er träumte häufig und ließ sein Bewußtsein an
andere Orte schweifen, während sein Körper dort zurückblieb, wo er sich zum
Schlafen niedergelegt hatte.
    Derartige Reisen waren gefährlich,
weil die feine Silberschnur, die den Geist mit der Hülle verband, auf die
verschiedensten Arten beschädigt werden konnte. Falls das geschah, gab es kein
Zurück mehr, Körper und Geist konnten nie wieder vereint werden, und der
Reisende war gezwungen, sich mit dem abzufinden, was die andere Welt für ihn
bereithielt.
    Die bloße Vorstellung eines solchen
Ereignisses flößte empfindsamen Vampiren entsetzliche Angst ein, denn nicht
einmal sie waren imstande, hinter den Schleier zu schauen und die
Erscheinungsformen von Himmel und Hölle zu bestimmen.
    Tief in den entferntesten Regionen
seines komaartigen Schlafs erschauerte Valerian angesicht der Vision ewiger Höllenqualen,
die ihm vor so unendlich langer Zeit eingetrichtert worden war, als er noch
gelebt und geatmet hatte wie ein Mensch. Und da Valerian im mittelalterlichen
England geboren war, waren seine Vorstellungen von der ewigen Verdammnis ganz
besonders grauenvoll.
    Aber er war auch ein sehr
abenteuerlustiger Vampir, von unstillbarer Neugierde, und liebte es, all jene
staubigen Ecken und Winkel der Zeit zu erforschen, die bei der Geschichtsschreibung
vergessen worden waren.
    Denn dort lauerte ein

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