Silbernes Mondlicht, das dich streichelt
wenn er noch länger versuchte, still zu sein.
»Oh, schon lange«, erwiderte Benecia
heiter. »Fast so lange wie Valerian — ungefähr fünfhundertvierzig Jahre!«
Aidan starrte sie an, entsetzt, daß
sogar ein bluttrinkendes Ungeheuer so tief sinken konnte, ein Kind in einen
Vampir zu verwandeln. Nicht einmal die schlimmsten Dämonen der Hölle konnten
grausamer sein. »Wie ist es geschehen?«
Benecia kicherte. Das Geräusch
hallte auf unheimliche Weise von den feuchten Steinwänden wider, die soviel
Unglück über so viele Jahrhunderte hinweg gesehen hatten. »Als Papa noch Wissenschaftler
war, trat er einer geheimen Bruderschaft bei. Ihre Mitglieder trafen sich nur
im Dunkeln, und Papa fand das sehr eigenartig, aber er fühlte sich
geschmeichelt, daß sie ihn einluden, und ging pünktlich zu allen Versammlungen.
Irgendwann führten sie ihn dann ein — die Mitglieder des Geheimbundes machten
ihn unsterblich, wie sie es selber waren. Papa kam sofort nach Hause und
verwandelte Mama, die wiederum Canaan und mich verwandelte, weil sie es nicht
ertragen konnte, von uns getrennt zu sein.«
Aidan wisperte ein Schimpfwort, weil
er es nicht wagte, ein Gebet zu sprechen.
Valerian streckte die Hand aus,
ergriff seinen Arm und brachte ihn zum Schweigen.
Doch Benecia war schon beleidigt.
»Ich mag Sie nicht«, sagte sie in boshaftem Ton zu Aidan. »Ich mag Sie
überhaupt nicht.«
»Mein Freund ist noch ziemlich jung
für einen Vampir«, warf Valerian rasch ein. »Hab Geduld mit ihm, Benecia. Denk
daran, wie es war, noch dumm und impulsiv zu sein.«
Benecias Augen waren schmal
geworden, ihr stechender Blick löste sich keinen Augenblick von Aidans Zügen.
»Ich bin viel älter als Sie und viel stärker und viel klüger«, erklärte sie mit
kühlem Selbstvertrauen. »Hüten Sie Ihre Zunge, Sie Welpe, oder ich lasse Sie an
den Füßen von einem hohen Fenster baumeln1«
Valerian lachte, doch es lag kein
Humor darin, seine Stimme klang sehr angespannt. »Aber, aber, Liebes — spricht
man so mit einem Gast? Aidan ist für deine Tante Maeve das liebste Wesen auf
dieser Welt. Sie wird von dir erwarten, daß du freundlich zu ihm bist.«
Benecia gab nach, doch erst, nachdem
sie ein Zischen ausgestoßen hatte wie eine Schlange und ihre Vampirzähne
gebleckt hatte. Dann ging sie, ein kleines Ungeheuer in einem gerüschten Kleid
aus rosa Seide, und irgendwo in der Ferne schlug eine Tür zu.
Aidan und Valerian waren allein.
Valerians Augen glühten zornig,
trotz seiner Schwäche richtete er sich auf seinem Lager auf. »Du bist ein
bemerkenswerter Schwachkopf, Aidan!«
Aidan war nicht in der Stimmung für
eine Predigt. Er hatte auch so schon genug durchgemacht in den letzten Tagen.
»Ich lasse mir doch nicht von einem Kind drohen!«
»Das Kind war schon alt, als
Shakespeare seine Sonette schrieb!« versetzte Valerian ärgerlich. »Sie vermag
mehr Macht in einem Blinzeln ihrer Augen zu vereinigen, als du je hoffen
kannst, zu erlangen! Wenn sie nicht recht menschliche Angst vor ihrer geliebten
Tante Maeve hätte, würde dein Kopf jetzt schon von einem der Wachttürme
baumeln!«
Aidan seufzte. »Wenn Benecia
wirklich so mächtig ist«, entgegnete er, »warum fürchtet sie dann Maeve?«
Valerian lachte, aber der Ton klang
hohl, es lag kein Humor darin. »Kennst du deine eigene Schwester so schlecht,
Aidan? Maeve besitzt einzigartige Talente, und es heißt, daß sie eines Tages
Lisettes Nachfolgerin sein wird.«
Der bloße Gedanke verursachte Aidan
Übelkeit. Er erinnerte sich noch sehr gut, wie Maeve als menschliches Wesen
gewesen war, warm, herzlich, unschuldig, und er war plötzlich den Tränen so
nahe, wie es einem Vampir möglich war. »Du hast es getan«, sagte er anklagend.
»Du hast ein Ungeheuer aus ihr gemacht, Valerian.«
Trauer und auch Resignation klangen
in der Stimme des anderen Vampirs mit, als er antwortete. »Sie bat mich darum.
Sie bot mir ihre Kehle, und ich war hungrig.«
Aidan hatte die Geschichte schon
gehört, aber selbst heute noch, nach zwei Jahrhunderten, konnte er sich nicht
damit abfinden. »Du hättest dich beherrschen können. Es gab andere, an denen du
deinen Durst hättest stillen können.«
Valerian wurde wieder schwach. Aidan
spürte es, denn sie waren einander auf Gedeih und Verderb verbunden seit jener
ersten Kommunion, bei der Aidan Valerian Blut gespendet hatte. »Wir haben schon
so oft darüber gesprochen«, erwiderte er müde. »Es ist nicht mehr zu ändern.
Ich bin seit fünf
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