Silbernes Mondlicht, das dich streichelt
Roxanne
wusch ihn zärtlich mit warmem, parfümiertem Wasser.
Er versuchte, sich aufzurichten, war
jedoch noch zu schwach dazu. Ganz offensichtlich hatte diese eine
Nahrungsaufnahme nicht gereicht, um seine Kräfte wiederherzustellen. Sie hatte
ihn nur vor dem Abgrund bewahrt oder der mitleidlosen Rache Gottes.
Roxanne beugte sich über ihn und
küßte seine blutleere Brust.
»Nein«, sagte er.
Sie zog sich zurück, die
bernsteinfarbenen Augen verengten sich. »Was haben Sie gesagt?«
Vampirsex, die heftige und im
allgemeinen recht gewalttätige Vereinigung zweier unsterblicher Körper, war in
diesem Augenblick nicht ohne Reiz für Aidan, aber er war entschlossen, sich
nicht dazu hinreißen zu lassen. Seine Liebe zu Neely, so aussichtslos sie auch
sein mochte, erlaubte es ihm nicht.
»Sie haben es gehört«, sagte er zu
Roxanne. »Nichts wird sich zwischen uns ereignen — Mrs. Havermail.«
Roxanne seufzte und tauchte das Tuch
von neuem in das parfümierte Wasser ein. »Ehre zwischen Ungeheuern«, sagte
sie. »Wie langweilig.«
Valerian, dachte Aidan. Hilf mir.
Elf
Melody Ling, die Fernsehreporterin,
stimmte einem Treffen zu, aber erst, nachdem Neely ihre ganzen
Überredungskünste aufbot. Obwohl sie sich geweigert hatte, ihre eigene
Identität preiszugeben, hatte sie einige wichtige Namen genannt, um die
Glaubwürdigkeit ihrer Behauptungen zu erhärten — und sie hatte darauf
hingewiesen, daß jemand beim FBI die Ermittlungen verhindert hatte. Den Ort,
an dem sie sich treffen wollten, eine abgelegene Brücke in den Wäldern von
Maine, hatten sie gemeinsam bestimmt.
Neely ließ Aidans Wagen in der
kleinen Garage hinter Wendy Brownings Strandhaus stehen und nahm den Bus in die
nächste Ortschaft, wo sie eine rote Perücke und eine dunkle Sonnenbrille erstand.
Natürlich ging sie ein gewaltiges Risiko ein, indem sie sich mit einer
Unbekannten an einem abgelegenen Ort traf. Aber das erschien ihr immer noch
besser, als nach New York zu fahren und mit einem ganze Paket von Beweisen eine
Fernsehredaktion aufzusuchen.
Als der Bus im verschneiten Danfield
Crossing hielt, blieb Neely sitzen und ließ alle anderen Fahrgäste aussteigen.
Sobald sie sicher war, daß ihr draußen niemand auflauerte, nahm sie die alte
Sporttasche, die sie bei Wendy gefunden hatte, und verließ den Bus.
Sie brauchte nicht nach dem Weg zu
der alten Brücke zu fragen: Neely, Ben und ihr Vater hatten dort vor vielen
Jahren Forellen geangelt, und sie erinnerte sich noch sehr gut an diesen Ort.
Nach einem kurzen Blick in alle Richtungen ging sie auf den Wald zu, aber sie
folgte nicht der Landstraße, sondern hielt sich an die schmalen, gefrorenen
Spuren, die Langlaufskifahrer hinterlassen hatten.
Melody Ling wartete geduldig am
Steuer ihres Mietwagens. Ihr dunkles Haar war stark gelockt, ihr Make-up zu
auffällig und künstlich für die Gelegenheit — sie sah aus, als erwartete sie,
jeden Augenblick vor eine Kamera zu treten. Aber all das interessierte Neely
nicht.
Es mußte sehr verwirrend sein für
Melody, ihre mysteriöse Kontaktperson aus dem Wald neben der Straße auftauchen
zu sehen, doch sie wirkte völlig ungerührt und zuckte nicht einmal mit der
Wimper. Sie öffnete die Wagentür und trat mit ihren hohen Absätzen auf die
vereiste Straße hinaus.
Neely schaute sich nervös um, aber
weder Senator Hargroves Killer noch irgendwelche FBI-Männer stürzten aus den
Büschen, und für Vampire war es noch zu früh am Tag.
Sie näherte sich Melody Ling und
überreichte ihr den großen Umschlag, der immer noch in Plastik eingewickelt
war. »Hier sind die Beweise, über die wir sprachen«, sagte sie, weil sie eine
förmlichere Einleitung für überflüssig hielt.
Die Reporterin nahm das Päckchen an.
»Sie garantieren mir die Exklusive für die Berichterstattung, sobald das alles
vorbei ist?«
Neely nickte. »Ich melde mich bei
Ihnen«, sagte sie und lächelte dann. »Danke — und viel Glück!«
Melody Ling nickte ihr zu, stieg in
ihren Wagen und fuhr ab.
Neely kehrte sofort ins Dorf zurück,
wie schon auf dem Hinweg durch die Wälder. In einem Supermarkt kaufte sie sich
ein Fischbrötchen und eine Diätcola und fuhr dann per Anhalter an die Küste
zurück, mit einem Lastwagenfahrer, der ein T-Shirt mit dem Aufdruck seiner drei
zahnlosen Kinder trug.
Es hat alles so gut geklappt, dachte
sie, als sie in die Dunkelheit hinausschaute.
Erstaunlich gut.
»Was ist mit ihm geschehen?« fragte
Valerian bestürzt, als er mit einem recht
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