Silbernes Mondlicht, das dich streichelt
allgemeinen so deutlich zu erkennen,
als ob sie aus zehn Meter hohen Neonzeichen bestünden. Falls du nichts dagegen
hast, wäre es mir lieber, daß die anderen Vampire zwischen hier und den Toren
des Hades uns nicht aufspüren, indem sie sie lesen.«
Aidan lachte leise, aber selbst das
schmerzte ihn. »Du hast mich gerettet«, sagte er. »Soll ich dir jetzt dafür
danken, Valerian, oder dich dafür verfluchen?«
»Weder noch. Ich habe dich nicht
wirklich gerettet — außer vielleicht aus den Krallen dieser Hexe, Roxanne
Havermail.«
Wieder lachte Aidan, aber es klang
wie ein Schluchzen. »Danke, daß du über meine Tugend gewacht hast«, sagte er. »Aber
du wirst sicher verstehen, daß ich gewisse Zweifel hinsichtlich deiner Motive
hege.«
Valerian maß ihn mit einem
ärgerlichen Blick, was jedoch nicht lange anhielt, denn dann begann er zu
lachen und wandte sich rasch ab, bis er seine Gefühle wieder unter Kontrolle
hatte. Als er Aidan ansah, wirkte er wieder kühl und abweisend. »Du bist ein
Narr!« herrschte er seinen Gefährten an. »Ist dir eigentlich bewußt, wie nahe
du dem Tode warst?«
»Nicht nahe genug anscheinend«,
erwiderte Aidan nachdenklich und schaute an Valerian vorbei zur Zimmerdecke,
die von staubigen Balken getragen wurde. »Was kannst du mir von Neely sagen?
Ist sie in Sicherheit?«
Ein harter Zug erschien um Valerians
Kinn. »Keine Ahnung«, antwortete er schroff. »Ich kenne nur eine Verwendung für
Menschen, und Miss Wallace' Beziehung zu dir macht sie für mich unbrauchbar. Im
Augenblick zumindest.«
»Im Augenblick?« versetzte Aidan
zornig, richtete sich abrupt auf und packte Valerian an seinem blütenweißen
Hemdkragen.
Der ältere Vampir stieß Aidans Hand
fort. »Was für ein arroganter junger Hund du bist!« zischte er. »Du wagst es,
mir zu drohen — mir?« Er hielt inne und klopfte sich wütend an die Brust. »Wenn
ich Verlangen nach dem Blut deiner bezaubernden Neely hätte, würde ich es mir
nehmen, und keine Macht auf Erden könnte mich daran hindern — und du schon gar
nicht!«
Aidans Kraft, die vorübergehend
zurückgekehrt war, begann wieder nachzulassen. »Nimm dich zusammen«, sagte er
müde. »Deine Schauspielerei geht mir allmählich auf die Nerven.«
Der mächtige Vampir stieß einen
Schrei des Zorns aus und verschwand.
Nun hatte er den einzigen Freund
beleidigt, den er außer Maeve besaß ... aber solch sinnlose, impulsive
Handlungsweisen kamen in letzter Zeit immer häufiger bei ihm vor.
Auch bei der Bruderschaft hatte er
kläglich versagt, und das Wissen schmerzte fast noch mehr als alles andere. Er
hatte nichts herausgefunden und die Ältesten zu allem Überfluß auch noch gegen
sich aufgebracht. Es wird nicht lange dauern, bis sie mich holen, dachte er,
und dann werde ich ihre Vampirjustiz zu spüren kriegen.
Valerian hatte gut daran getan, ihm
nicht zu sagen, wo sie waren, denn Aidans geistige Verfassung war so schwach,
daß er die Information im Geiste wahrscheinlich an jedes zufällig vorüberziehende
Ungeheuer weitergegeben hätte.
Neely schrie auf und schleuderte die
Zeitung, in der sie gelesen hatte, vor Schreck weit in den Raum. Valerian stand
zwischen ihr und dem Fernsehapparat, in seiner üblichen makellosen Eleganz,
die Arme verschränkt und den Kopf zur Seite geneigt.
»Nun beruhigen Sie sich schon«,
sagte er scharf, hob die Zeitung auf und legte sie auf den Couchtisch.
Neelys heftig pochendes Herz
beruhigte sich ein wenig, doch der Schluckauf, den der Schreck ausgelöst hatte,
blieb, und Valerian verdrehte gereizt die Augen.
»Sie haben mir einen gewaltigen
Schrecken eingejagt!« fuhr Neely ihn an, weil ihre Angst sich plötzlich in Zorn
verwandelte. Doch dann, als auch ihr Ärger nachließ, stand sie verlegen auf
und zog Wendys Morgenrock noch fester um ihren Körper, als wolle sie sich so
gegen den Eindringling wappnen. »Sie kommen wegen Aidan, nicht? Ist ihm etwas
zugestoßen?«
Valerian maß sie mit einem
arroganten Blick. »Sie sind ihm zugestoßen, mehr nicht«, antwortete er
kühl. »Er liebt Sie, und diese alberne Zuneigung könnte ihn sehr wohl sein
Leben kosten.«
»Wo ist er?«
»Das würde ich Ihnen nicht einmal im
Traum erzählen«, entgegnete Valerian scharf. »Es reicht, wenn ich Ihnen sage,
daß Aidan in diesem Augenblick mehr als alles andere Trost benötigt. Außerdem
sind Sie vermutlich das einzige Wesen auf der ganzen Welt, das ihn vielleicht
noch zur Vernunft bringen kann.«
»Dann bringen Sie mich zu
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