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Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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verbrannten Fingern ein paar Körnchen auf die Seite schaffen und damit dem Ziel ein bißchen näher kommen: der Flucht.
    Wir wurden zwar jeden Tag durchsucht, aber wir fanden Mittel und Wege …
     
    Selbst heute wache ich manchmal noch nachts auf und sitze schweißgebadet im Bett. Meine Frau sagt, ich würde nie einen Laut von mir geben. Als Sklave lernt man, seine Gedanken für sich zu behalten.
    Man könnte meinen, Sosias Tod hätte mich dazu gebracht, den einmal eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Aber so war es nicht. An sie habe ich nie gedacht. Wer sich in einem mörderischen Loch wie diesem an ein solches Strahlen erinnert, der steigert nur seine Qualen. Was mich bei meiner Suche aufrechterhielt, war die reine Selbstdisziplin.
    Außerdem vergißt man vieles.
    Im Tageslauf eines Sklaven war keine Zeit für müßige Besinnlichkeit. Uns belebte keine Hoffnung auf die Zukunft und keine Erinnerung an die Vergangenheit. Im Morgengrauen wurden wir geweckt, genauer gesagt: während es noch dunkel war. Mit trübem Blick schlangen wir widerwillig den Haferschleim hinunter, den eine schmutzige Frau, die anscheinend niemals schlief, in unsere Schalen schaufelte. Schweigend marschierten wir durch die ausgestorbene Siedlung, während uns die weißen Fetzen unseres Atems wie Gespenster umwehten. Mit Halsringen ketteten sie uns zusammen. Ein oder zwei Glückspilze hatten Mützen, die sie sich über den schmutzigen Kopf zogen. Ich hatte nie eine Mütze; ich habe ja auch nie Glück. Zu dieser Stunde, wenn das kalte Licht zwischen Verheißung und Unheil zu schwanken scheint, wenn einem der Tau in die Schuhe sickert und jeder Laut in der unbewegten Luft meilenweit zu hören ist, stolperten wir zu unseren Gruben. Dort nahmen sie uns die Ketten ab. Wir arbeiteten den ganzen Tag, mit einer Pause, in der wir mit leerem Blick herumsaßen. Und wenn abends die Dunkelheit hereinbrach, standen wir mit hängenden Köpfen da, wie erschöpfte Tiere, und ließen uns zusammenketten. Wir marschierten zurück. Wir wurden abgefüttert. Wir sackten in den Schlaf, wurden in der Dunkelheit des nächsten Tages wieder geweckt. Und alles ging von neuem los.
    Ich sage »wir«. Hier schufteten Verbrecher und Kriegsgefangene (vor allem Britannier und Gallier), außerdem entlaufene Sklaven (ebenfalls vor allem Kelten verschiedener Stämme, aber auch andere – Sardinier, Afrikaner, Spanier, Lykier). Von Anfang an brauchte ich mich nicht zu verstellen. Das Leben, das wir führten, machte mich zu einem von ihnen. Ich fühlte mich wie ein Sklave. Ich holte mir Beulen und verstauchte mir die Glieder, mein Haar verfilzte, meine Finger wurden rissig, bekamen Schnittwunden und Blasen, waren schwarz und rußig von meinem eigenen und anderer Leute Dreck. Es juckte mich überall. Es juckte mich an Stellen, wo man sich nicht ohne weiteres kratzen kann. Ich redete kaum, und wenn ich etwas sagte, dann war es ein Fluch. Mein Kopf, der früher voller Träume gewesen war, glich einer ausgedrückten Eiterbeule. Ein Gedicht hätte mich mit blankem Hohn erfüllt, wie das sinnlose Lallen einer fremden Zunge.
    Dafür konnte ich in sieben Sprachen fluchen und war stolz darauf.
     
    Während meiner Zeit als Ausleser stieß ich zum erstenmal auf Anzeichen für organisierten Diebstahl. Sobald ich die Hinweise entschlüsseln konnte, erkannte ich, wie sehr das ganze System von Korruption durchsetzt war. Dabei ließ sich kaum unterscheiden zwischen den kleinen Betrügereien, an denen sich jeder beteiligte, und dem großen Betrug, der nur von der Grubenleitung arrangiert sein konnte. Alle wußten Bescheid. Keiner sagte etwas. Denn auf jeder Stufe zweigte jeder Beteiligte seinen Anteil ab, und wer das einmal getan hatte, der war eines Kapitalverbrechens schuldig. (Darauf standen zwei Strafen: Tod oder Sklaverei in den Gruben. Wer mal in Vebiodunum gewesen ist und gesehen hat, unter welchen Bedingungen wir dort lebten, weiß, daß der Tod das gnädigere Schicksal war.)
     
    Ende Dezember tauchte Rufrius Vitalis auf. Er sah blendend aus mit seiner Lederpeitsche im breiten braunen Gürtel. Zur Feier der Saturnalien wollte er mir etwas Gutes tun und herausfinden, ob ich inzwischen genug wußte und nach oben gezogen werden wollte. Als er meinen stumpfen Blick sah, machte er ein grimmiges Gesicht.
    Er holte mich von den Öfen weg und trieb mich unter demonstrativem Peitschenknallen nach draußen. Etwas abseits hockten wir uns zwischen nasses Farnkraut, wo uns niemand belauschen

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