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Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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und humpelte zu dem Fischteich hinüber. Helena blieb auf der Bank sitzen und unterhielt sich von nun an mit einer zwielichtigen Gestalt in einem Mantel, der im Abendwind gelegentlich hin- und herflatterte.
    »Es wäre hilfreich, zu wissen, wie meine Cousine gestorben ist, ehe ich meine Angehörigen wiedersehe.«
    Gaius, der ihr die Nachricht überbracht haben mußte, hatte ihr die Einzelheiten offenbar ersparen wollen. Da ich Helena respektierte, antwortete ich.
    »Und wo waren Sie! «fragte Helena leise.
    »Ich lag bewußtlos in einer Wäscherei.«
    »Besteht da ein Zusammenhang?«
    »Nein.«
    »Waren Sie ihr Liebhaber?« stieß sie hervor. Ich schwieg. »Antworten Sie mir! Schließlich bezahle ich Sie, Falco! «
    Nur weil ich ihre Hartnäckigkeit kannte, antwortete ich schließlich. » Nein.«
    »Wollten Sie es sein?«
    Ich schwieg so lange, bis eine Antwort daraus geworden war.
    »Sie hatten die Gelegenheit! Ich weiß es … Warum also nicht?«
    »Rangunterschied«, erklärte ich, »Alter, Erfahrung« – und einen Augenblick später fügte ich noch hinzu: »Dummheit!«
    Jetzt wollte sie etwas über meine Einstellung zur Moral wissen. Dabei fand ich, daß meine Moral offenkundig war. Es ging sie nichts an, aber schließlich erklärte ich ihr, daß ein Mann nicht den Eifer eines jungen Mädchens ausnutzen darf, das begriffen hat, was es will, und das auch Energie genug besitzt, seinen Willen durchzusetzen, aber nicht die Kraft hat, mit dem unvermeidlichen Kummer nachher fertig zu werden.
    »Wäre sie am Leben geblieben, hätte ein anderer Sosia die Illusionen geraubt. Ich wollte es nicht sein.«
    Der Wind frischte auf und zerrte jetzt an meinem Mantel. Mir war ganz grau ums Herz. Ich mußte dieses Gespräch beenden.
    »Ich gehe nach drinnen.« Ich hatte nicht vor, meine Klientin allein in der Dunkelheit zurückzulassen, und sie mußte das wissen. Heiseres Stimmengewirr drang aus dem mansio nach draußen. Sie fühlte sich nicht wohl an öffentlichen Orten, und Massilia war, wenn die Stunde der Saufgelage angebrochen war, kein Platz für eine Dame. Auch ich fühlte mich hier nicht mehr wohl. Ich wartete, nicht ungeduldig.
    »Ich bringe Sie besser nach oben.«
    Ich begleitete sie bis zu ihrer Zimmertür, wie ich es immer tat. Wahrscheinlich wußte sie gar nicht, wie viele aggressive Kerle ich ihr auf unserer Reise vom Leib gehalten hatte. In einem Gasthof, wo das Türschloß noch erfunden werden mußte und die Gäste besonders widerwärtig waren, hatte ich einmal die ganze Nacht, mit meinem Messer bewaffnet, auf ihrer Schwelle zugebracht. Da ich es ihr nie erzählt hatte, konnte sie auch nicht dankbar sein. Es war mir lieber so. Das gehörte zu meiner Aufgabe. Auch wenn sie es nicht ausdrücklich im Vertrag vermerkt hatte, weil ihr das peinlich gewesen wäre, bezahlte mich die kostbare kleine Dame gerade hierfür.
    Sosias Tod bereitete ihr mehr Kummer, als ich geahnt hatte. Als ich mich in dem halbdunklen Korridor umdrehte, um ihr Gute Nacht zu sagen, und sie nach langer Zeit wieder anblickte, konnte ich sehen, daß sie geweint hatte.
    Während ich ratlos dastand, sagte sie wie immer: »Danke, Falco.«
    Auch ich machte ein Gesicht wie immer, vielleicht ein bißchen zu demütig. Helena Justina achtete nicht darauf, wie immer. Aber bevor sie sich abwandte, murmelte sie: »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!«
    Und dann, weil ich Geburtstag hatte, küßte sie mich auf die Wange.

XXXVI
    Sie mußte gespürt haben, wie ich zusammenzuckte.
    »Es tut mir leid«, sagte sie. Sie hätte lieber abrauschen sollen. Wir hätten es dabei lassen können. Es hätte mir nichts ausgemacht; ihre Geste war höflich genug gewesen.
    Aber diese vertrackte Frau wußte plötzlich nicht, was sie tun sollte.
    »Es tut mir leid –«
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen!« hörte ich mich krächzen. Seit Sosia tot war, hatte ich mich in mich selbst verkrochen. Ich kam mit Frauen nicht mehr zurecht. »Die alte Geschichte, meine Liebe! Ein saftiges Stück Fleisch, das sich nach cremiger Soße sehnt – wenn ich darauf scharf wäre, hätten Sie das längst mitbekommen!«
    Sie hätte auf der Stelle in ihr Zimmer gehen sollen. Aber sie stand nur unschlüssig da.
    »Um Himmels willen!« rief ich wütend. »Hören Sie auf, mich so anzusehen!« Ihre großen, müden Augen waren Seen des Jammers.
    Seit zwei Stunden überlegte ich mir, wie es wäre, sie zu küssen. Jetzt tat ich es. Ich trat auf sie zu und nahm ihr bleiches Gesicht in beide

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