Silberschweine
ganzen bekannten Erdkreis.
Ich blieb stehen. Ich sah lächelnd zum Kapitol hinüber, und Helena stand so dicht neben mir, daß ihr langer Umhang mich streifte. Mir war, als würden wir uns dem Höhepunkt nähern. Irgendwo in dieser Stadt drückten sich die Männer herum, die ich suchte. Es ging jetzt nur noch darum, Beweise zu finden, die den Kaiser überzeugten, und herauszubekommen, wo die gestohlenen Silberschweine waren. Die halbe Antwort hatte ich schon, das Ende lag hier – und auch meine Zuversicht hatte ich wiedergefunden. Im Anblick meiner Heimatstadt, während ich mir klarmachte, daß ich zumindest in Britannien alles menschenmögliche getan hatte, löste sich die Trostlosigkeit, die mich seit Sosias Tod nicht mehr verlassen hatte.
Ich drehte mich zu Helena Justina um und bemerkte, daß sie mich ansah. Auch sie hatte sich wieder gefangen. Eigentlich war sie ganz in Ordnung: ein Mädchen, das sich eine Zeitlang selbst unglücklich gemacht hatte. Viele Leute machen es genauso, manche ihr Leben lang, und manche genießen das Unglücklichsein sogar. Aber sie war zu offen und zu ehrlich gegen sich selbst. Ich wußte, daß sie die Geduld mit sich wiederfinden würde. Die mit mir vielleicht nicht, aber wenn sie mich nicht mochte, konnte ich ihr deswegen keinen Vorwurf machen, denn, als ich ihr zuerst begegnet war, hatte ich sie auch nicht gemocht.
»Ich werde Sie vermissen«, sagte sie scherzhaft.
»Wie man eine Blase vermißt, wenn der Schmerz aufhört!«
»Ganz recht.«
Wir lachten.
»Manche meiner Auftraggeberinnen wollen mich wiedersehen«, erklärte ich ihr mit vielsagendem Blick.
»Warum?« Ihre Augen funkelten. »Mogeln Sie bei den Rechnungen, die Sie ihnen ins Haus schicken, so offensichtlich?«
Sie hatte in letzter Zeit ein paar Pfund abgenommen, aber sie besaß noch immer eine kräftige Figur, und noch immer gefiel mir, wie sie ihr Haar hochsteckte. Ich grinste: »Nur wenn ich sie wiedersehen will!«
»Ich werde meinen Buchhalter anweisen, nicht die geringste Ungenauigkeit durchgehen zu lassen!«
Ihr Vater und ihr Onkel hatten die Wette verloren. Es würde nicht halten, aber in diesem Augenblick waren wir Freunde.
Sie sah hübsch aus, so zerzaust, mit gerötetem Gesicht; so konnte ich sie ihren Angehörigen zurückgeben. Sie würden das Schlimmste von mir denken, aber das war immer noch besser als die Wahrheit.
Es gibt zwei Gründe dafür, mit einem Mädchen auf die Wallanlagen zu steigen. Der eine ist: frische Luft schnappen. Das hatten wir getan. Ich dachte auch an den anderen Grund, aber ich besann mich eines besseren. Unsere lange Reise war zu Ende. Ich brachte sie nach Hause.
TEIL III
Rom
Frühjahr, 71 n. Chr.
XXXVIII
Ein Empfangskomitee erwartete uns vor dem Haus ihres Vaters.
Ohne Zwischenfall hatten wir den Bezirk Porta Capena erreicht, holperten ein paar Nebenstraßen hinunter und schlingerten dann auf das Haus des Senators zu. Unsere Sänften hielten an. Wir stiegen aus. Helena holte tief Luft. Ich sah mich um: vier oder fünf Halunken, die auf dem Sklavenmarkt keiner genommen hätte, stürmten auf uns los. Die spitzen Mützen hatten sie sich noch tiefer ins Gesicht gezogen, als ihre Pockennarben es erforderlich machten, und in der Hand, die jeder von ihnen unter seinem Mantel versteckt hielt, trugen sie jedenfalls keinen Beutel mit Brötchen und Schmierkäse.
»Bei Herkules! Los, läuten Sie, so fest Sie können!«
Helena schoß hinüber zur Haustür, während ich in Windeseile einen der Tragholme der Sänfte ausklinkte.
Ich sah mich um. Die Passanten verzogen sich bereits in die Läden der Goldschmiede und Blumenverkäufer, deren Türen unter glimmernden Laternen zum abendlichen Verkauf geöffnet waren. Die Gegend war zu vornehm, als daß wir auf tatkräftige Unterstützung hätten hoffen können.
Die Halunken waren schnell, aber nicht so schnell wie ich. Unter ihren Mänteln trugen sie Dornenkeulen, aber nach drei Monaten in den Bleigruben hatte sich bei mir mehr Wut gestaut, als sie erwarten konnten. Mit einem Rundholz von zwei Meter fünfzig Länge um mich schlagend, konnte ich einen ziemlichen Schaden anrichten.
Auf Helenas heftiges Läuten tauchte schließlich Camillus mit seinen Sklaven auf. Die Halunken zerstreuen sich blitzartig. Zurück ließen sie eine Blutspur und einen Toten. Er hatte sich auf Helena stürzen wollen. Ich hatte sie zur Seite gezerrt, das Messer gezogen, das ich in meinem Stiefel versteckt halte, hatte ihm dann einen kräftigen Tritt vor
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