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Silberschwester - 14

Silberschwester - 14

Titel: Silberschwester - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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worden war? Von so ein paar Bäumen war doch nichts
zu befürchten, nicht? Die Königin war einfach überängstlich.
    »Bei meiner
Ehre, ich bringe ihn Euch heil zurück, Majestät«, gelobte sie, und sah der
Königin an den Augen an, dass sie die Bedeutung ihres Schwures zu würdigen
wusste. »Dem Prinzen wird nichts geschehen, solange er in meiner Obhut ist.«
    Die Entführung
war gut geplant, für ihr Gelingen bedurfte es nur einer zu sorglosen und zu
selbstsicheren Wächterin, und Enya erfüllte diese Bedingung aufs Vollkommenste.
Bei allen Gefahren, die wirklich im Walde lauerten … darauf, ein als Verkörperung
der Güte geltendes Wesen zu fürchten, wäre sie nie verfallen. Erst später kam
sie auf die Wahrheit, die den alten Balladen und Märchen innewohnt, und die war
weitaus finsterer, als sie gedacht hatte.
    »Ich habe ihm
ein größeres Los bestimmt, als er unter einer Krone, auf einem Thron bei
Menschen gehabt hätte«, erwiderte die Kreatur arrogant.
    »Du hast ihm
ja keine andere Wahl gelassen. Ich habe mich in den sechs Jahren mit dir
befasst«, sagte Enya. »Ich weiß, dass du deinen Opfern das Gedächtnis stiehlst,
sodass sie nichts anderes tun können als dir zu gehorchen … Ich weiß auch, dass
es nur deines Hornstoßes bedarf, um die Verwandlung einzuleiten, dann aber
dauert es ein Jahrzehnt, um sie zu vollenden.«
    »Was weißt du
sonst noch, närrische Sterbliche? Erzähle mir von meiner Schnelligkeit
ohnegleichen, von meiner Schönheit, Intelligenz. Und, wie meine Gattung in der
langen Zeit ihrer Herrschaft gelernt hat, die Liebe der Menschen zu gewinnen,
obwohl wir uns unter ihnen zur Erhaltung unserer Art unsere Opfer suchen.
Erzähle mir von all dem, Sterbende, vielleicht bin ich ja dann so gnädig und
barmherzig, dein elendes Leben zu beenden. Ich versichere dir, dass ich nicht
zum zweiten Mal den Fehler machen werde, dich am Leben zu lassen.«
    »Hörst du,
mein Prinz? Du bedeutest ihr nichts. Du bist nur Mittel zum Zweck. La Faie
Suiateih will einen Hengst, und so ist dein Leben verwirkt.«
    »Schweig
stille!«, schrie es, und in seiner Stimme war nichts Engelhaftes mehr. »Du bist
jetzt still!«
    Funkenschlaghufe
droschen, Enya bloß um ein Haar verfehlend, gegen den Stamm, dass die Splitter
stoben.
    Da stürzte
sich der Prinz auf das Tier und schlug wie rasend auf seinen gewölbten,
muskulösen, rein weißen Hals ein. »Ich verzeihe es dir nie, wenn du das tust!«
    La Faie
Suiateih brach jäh die Attacke ab und drehte sich zu ihm um, und nun leuchteten
seine blauen Augen hell genug, um mit der Sonne zu wetteifern. »Das meinst du
nicht im Ernst!«, sagte es da, und in seiner Stimme sangen die Engel von Liebe
und von Vertrauen. »Du darfst dich von ihren Worten nicht verwirren lassen.
Diese zählt zu den Sterblichen.«
    Er straffte,
reckte sich. »Ich auch!«
    »Nein, du bist
durcheinander. Sie hat dich ja ganz verwirrt. Entledigen wir uns ihrer …« Der
Kopf, das hohe Horn schwang zurück zu …
     … aber dort
lag Enya nicht mehr!
    Hätte La Faie
Suiateih nur ein paar Schritt von ihr entfernt gestanden, hätte es nicht
geklappt … Kein Mensch wäre, auch bei einem Überraschungsangriff nicht, so nahe
herangekommen, sondern gleich mit dem Horn oder Huf niedergestreckt worden.
Aber La Faie Suiateih, darauf konzentriert, das Zutrauen des Prinzen
wiederzugewinnen, hatte eben vergessen, den nötigen Abstand zu nehmen …
    Enya kam knapp
neben seinem Hals hoch, ließ den Kopf zu sich hereinschwingen, griff unter den
Sack von Umhang, holte ein Schwert hervor – kurz, aber breit und stark genug,
um einen dicken Baumast zu durchhauen.
    Mit der Linken
packte sie das Horn, mit der Rechten brachte sie die Klinge nieder, mit aller
Kraft, die ihr zu Gebote stand. La Faie Suiateih bäumte sich in Panik … Und
Enya, die sich verzweifelt an Horn und Schwert klammerte, um jenen scharfen
Hufen zu entgehen, verlor den Boden unter den Füßen. Als sie wieder mit beiden
Beinen auf der Erde war, zog sie noch ein paar Mal kräftig an dem Horn, legte
ihr Gewicht und auch ihre Kraft hinein – und da knackte es.
    Das wütende
Tier suchte sie mit den Zähnen zu zerfleischen.
    Da hätte Enya
sich, bei ihrem zweiten Hieb, fast selbst den Arm abgehackt.
    Plötzlich
hielt sie das Stück in Händen! Also löste sie sich mit einem Satz – bereit, die
Baumstämme als Deckung und ihr Schwert zur Selbstverteidigung zu gebrauchen … Aber
La Faie Suiateih, mit einem blutleeren, schwarz werdenden Stumpf auf der

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