Silberschwester - 14
menschlichem Mund zur Obszönität.
Natürlich war
Enya Weibs genug, den Prinzen jetzt mit Gewalt mitzunehmen – nicht einmal beide
zusammen, er und die wieder sterbliche La Faie Suiateih, könnten sie daran
hindern. Sie könnte sich zurückholen, was sie verloren hatte, und es dem
Prinzen, der Königin und den anderen überlassen, »sein Leben danach« zu regeln –
das Danach, dieser Teil der Geschichte, war nicht ihre Angelegenheit.
»Du hast
Recht«, sagte sie zu La Faie Suiateih. »Es ist eine Frage der Ehre.«
Damit ging sie
zu dem Prinzen. Und der sah ihr in die Augen, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Willst du nicht doch mit?«
»Tut mir Leid,
ich kann nicht.«
Sie seufzte
kurz. »Folge, wenn du bereit bist, dem Fluss nach Norden bis zur Burg E’Mala.
Sie ist dein Heim und wird immer auf dich warten.«
»Wirst du auch
dort sein?«
»Ich? Nein«,
sagte sie leise. »Aber die Menschen dort lieben dich sehr, vergiss das nie!«
Und dann, nach
einer respektvollen Verbeugung, tat sie den schwersten Schritt ihres Lebens.
Sie drehte
sich um und ging.
La Faie
Suiateih war besiegt, der Prinz erlöst – wie sie es gelobt und geschworen
hatte, und doch konnte sie noch nicht wieder nach Hause … Aber in ihrem Herzen,
in ihrem tiefsten Inneren wusste sie, dass sie ihre Ehre wiedergewonnen hatte …
Und das war, auch wenn niemand je davon erführe, genug.
Musste
genügen.
DOROTHY J.
HEYDT
Dorothy Heydt ist sicherlich auch eine
von uns, hat sie doch zumeist in meinen Anthologien veröffentlicht – was
bedeutet, dass anderen Lektorinnen etwas Gutes abgehen muss. Sie und ihr Mann –
Hal mit Namen – haben zwei erstaunlich sprachgewandte Kinder, die beide auch
bei mir publiziert haben.
Hier eine
weitere Story von Dorothy über Cynthia, eine Zauberin im antiken Griechenland.
Ist das auch Fantasy? Ja, denn für alles, was vor mehr als dreihundert Jahre
spielt, muss man ja mangels zuverlässiger Quellen ohnehin das meiste erfinden. –
MZB
DOROTHY J.
HEYDT
Rache
»Kapitän, das Schiff ist festgemacht!«
»Danke. Willkommen
in Alexandria, Herr! Von nirgendwo sonst, außer vom Palastdach, sieht man es
besser als von hier, bei dieser Flut. Alles dort vor uns, was innerhalb dieser
Mauern liegt, gehört zum Königlichen Palast. Und das gegen Norden, was da in
der Sonne glänzt, das ist der Tempel der Isis. Ihr solltet ihn während Eures
Aufenthalts besuchen, Ihr und Eure Begleitung, Herr. Der Tempel der Isis, meine
Dame … Ihr da, bringt den Laufsteg aus!«
Es waren ihrer
vier, die jetzt im Königlichen Hafen von Bord gingen – der Neffe des Tyrannen
von Syrakus, samt Begleitung und ein paar Sklaven. Archimedes hieß der adelige
Herr, er war jung, mit dem ersten Flaum auf Kinn und Wange, und er rollte unter
der feinen Tunika die Schultern, als ob er viel lieber nackt im Meer geschwommen
wäre. Dicht hinter ihm kam ein junger Mann, der ebenso alt war, aber nicht ganz
so fein gekleidet, und hinter ihm ein hagerer, leer dreinblickender Alter in
einem einmal teuren, aber schon recht abgetragenen Gewand.
Den Schluss
bildete eine große junge Frau in Schwarz, die sich den schon ganz dicken Bauch,
zur Entlastung des Rückens, mit einer Schärpe aufgebunden hatte. Sie geleitete
den Alten die Laufplanke hinab und zog sich, ob der dunstigen Herbstsonne, die
Stola über die Augen.
Man hatte das
Gepäck dieser Reisegesellschaft schon diskret durchsucht, ihre Büchersammlung
höflichst auf Titel geprüft, die der Bibliothek eventuell unbekannt waren (aber
keine gefunden), und ihr einen Agenten des Hafenmeisters zugewiesen, der sie
zum Palast des Königs Ptolemäus bringen sollte.
»Nun, das
scheint geklappt zu haben«, murmelte Demetrios und warf sein Peplon über die
Schulter zurück. Dabei fiel sein Blick auf den alten Palamedes, der an Cynthias
Hand tonlos summend im warmen Sonnenlicht einherging. »Der König wird in seinem
Haus wohl Ärzte haben«, fuhr er fort, »und Dichter.«
»Bestimmt. Wir
lassen nach deinem Vater sehen, und nach ihr auch. Wenn ihr denn Ärzte
überhaupt helfen können …«, sagte Archimedes und schüttelte zweifelnd den Kopf.
»Was ist bloß bei ihrem … Ausflug über sie gekommen?«
»Wie soll ich
das wissen, Freund? Sie ist eines Mittags vom Markt verschwunden und nach dem
Krieg mit jener Punierin und ihrem Kind zurückgekommen und hat sich, als die
dann sicher untergebracht waren, wie ein Stein hingehockt und sich nicht mehr
geregt. Sie isst noch, was man ihr gibt, deshalb
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