Silberschwester - 14
mich und spähte in das übel
riechende Löwenmaul. Dann langte sie gleich hinein, hielt die Hand über die
zerfetzte Befiederung und murmelte etwas. Nichts. Es geschah nichts.
»Ein
Übungsbolzen«, sagte sie. »Damit ist es klar. Da wurde vertauscht.«
»Vertauscht?«,
fragte Do’Sateno.
»Das ist ein
Übungsbolzen«, erklärte ich. »Und den hat wohl jemand Karran untergejubelt,
gegen einen der Zauberbolzen.«
Erstaunen
erst, dann Zorn und grimmige Entschlossenheit malten sich im Gesicht des alten
Soldaten.
»Irgendwelche
Verdächtigen?«, fragte er. Tanil gab ihm einen kurzen Bericht über die
Situation, einschließlich ihrer rechtlichen Finessen. Über die hatte er seine
eigene Meinung und drückte sie auch mit so einem Soldatenwort aus, das ich
lieber nicht wiedergeben möchte.
»Nicht wie in
den alten Zeiten«, knurrte er und strich sich seinen Schnurrbart. »Die
Militärgerichte, die gaben uns die Möglichkeit, das Land von den Räuberbaronen
zu befreien …« Da murmelte ich etwas Unverbindliches, richtete mich auf, und
Tanil tat desgleichen. Und wie ich dann auf diese Todeskatze hinabsah, musste
ich an jene Geschichten denken, die ich vor Jahren gehört hatte. Ein Ausbilder,
der als Scout der Garde bei den Kampagnen einen Arm verlor, hatte sie mir
erzählt – harte Kämpfe seien es gewesen, hatte er gesagt und auch die
Standgerichte erwähnt, die ohne viel Federlesen abgeurteilt hätten. Harte
Justiz für harte Zeiten … An dem Weinhändler war mehr dran gewesen, als ich
gedachte hatte. Ich leistete ihm also innerlich Abbitte, mochte ihm das auch
nichts mehr nützen.
Fragen Sie
mich nicht, wann ich dann diesen Einfall hatte – vielleicht ja, als ich mit
Do’Sateno über die alten Zeiten sprach … vielleicht auch, als ich mich in
Schuldgefühlen darüber erging, Karran mit einem so harschen Urteil Unrecht
getan zu haben. Aber dann hob ich schnell den Blick und sah meine
Gesprächspartner an.
»Herr Armand
Do’Sateno und Frau Tanil Alana«, sagte ich und fuhr, als die beiden, besonders
natürlich Tanil, mich wegen meiner Förmlichkeit fragend musterten, ebenso
formell fort: »Wir sind ohne Kontakt zu den Behörden von Dienni. Wir sind im
Ausland.« Sie nickten alle beide. Die Anderwelt war, das stand außer Frage, so
ausländisch, wie es ausländischer nun nicht mehr geht. »Deshalb unterstehen wir
dem Militärrecht.« Das war eine Sophisterei. Die Gilde benutzte, in Ermanglung
eines Besseren, unser Militärgesetzbuch als Richtschnur bei Safaris ins Jenseits.
Die waren eben auch juristisch reines Neuland.
»Wieso … ja,
natürlich«, erwiderte Do’Sateno und strahlte. Tanil dagegen sah eher zweifelnd
drein.
»Da muss ich
wohl mein Gesetzbuch konsultieren«, sagte sie.
»Ich bitte
darum«, fuhr ich fort. »Herr Karran Taillan war Offizier der Garde, nicht
wahr?« Hier umging ich die Frage, ob nur ehrenhalber. »Sein Tod berührt demnach
diese Garde.« Do’Sateno nickte langsam, mit grimmiger Miene. »Also können wir,
wenn Tanils Recherche nichts Gegenteiliges ergibt, ein Militärgericht
einberufen und alle Verdächtigen, auch gegen ihren Willen, unter Eidbann
verhören.« Sie sahen mich beide an – Armand Do’Sateno begeistert, Tanil etwas
skeptisch.
»Ich weiß
nicht«, sagte sie zögernd und unsicher. »Lass mich erst mal in meinem
Gesetzesbuch nachsehen!« Auf mein Nicken eilte sie zu ihrem Zelt … Do’Sateno
und ich gingen uns ein Glas Wein holen, und unterhielten uns, während wir noch
an der Feldtheke warteten, über die guten alten Zeiten einst und über die
glorreichen Feldzüge und Schlachten. Doch nicht lange, da stieß auch Tanil
wieder zu uns.
»Ich denke,
wir kämen damit durch«, sagte sie gleich.
»Ausgezeichnet!«,
knurrte Do’Sateno. Er war Feuer und Flamme und ich etwas gedämpft. Meine erste
Begeisterung hatte sich gelegt. Aber für einen Rückzieher war es jetzt zu spät.
Also verbrachten wir, nachdem ich ein Wort mit Cheila gewechselt hatte, den
Rest der Nacht damit, unser Vorgehen zu planen.
Der Morgen kam
mit einem hohen wolkenlosen Himmel und einem spektakulären Sonnenaufgang über
dem Gebirge hinter unserem Lager. Doch als ich nach dem Frühstück die
Lagerversammlung eröffnete, warfen die Berge noch immer lange Schatten über die
Ebene.
»Nach den
Statuten der Gilde, dem Militärgesetzbuch und den Gesetzen Diennis zur Regelung
von Expeditionen im Ausland«, begann ich, »rufe ich hier und heute ein
Militärgericht zur Untersuchung des Todes von Herrn
Weitere Kostenlose Bücher