Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Silberschwester - 14

Silberschwester - 14

Titel: Silberschwester - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
Vom Netzwerk:
Seite des Saals: Die Priester
umarmten einander und seufzten, stammelten, dass es wie das Gurren einer Schar
Tauben klang. Und der Priester, den sie geleitet hatte, kam mit dem blutjungen
Novizen durchs Portal gestürzt.
    Seylana
beobachtete sie, von abseits. Und als ihr Onager zu ihr gezuckelt kam und sie
mit der behaarten Schnauze in die Schulter stupste, tätschelte sie ihn
geistesabwesend.
    Jetzt kam der
älteste Priester, ein Mann mit einer Haut wie Leder und Augen wie Granaten. Er
streckte die Hände aus und schloss seine starken, warmen Finger um die ihren.
    »Wir haben das
Tor geschlossen«, sprach er und meinte damit nicht, dass die Priester es getan
hätten … sondern dass sie sie jetzt zu ihnen zählten.
    Da sah
Seylana, dass sie wie ein Qr-Schatten durch ihr Leben gegangen war, sich bloß
durch ihren Verlust begriffen hatte. Aus freien Stücken, nein, könnte sie nie
mehr zurück.
    Draußen vor
der Burg stimmte ein Vogel ein Lied an, und die ersten Sonnenstrahlen fielen
durch die spitzen Fenster, die kein Laden verschloss. Da sanken die Priester
einer nach dem anderen auf die Knie und streckten die Arme, die Hände zum
goldenen Licht.
    Und in Seylana
erhob sich etwas, heil und stark, den neuen Tag zu grüßen. Sie fühlte sich nun
nicht mehr leer, sondern überfließend von Kummer und Freude, Zorn und
Zufriedenheit, gänzlich verwirrt durch die plötzliche Entdeckung, dass ihre
kleine, halbe Seele irgendwie so gewachsen war, dass sie die ganze Welt
erfüllte.

JESSIE D.
EAKER
     
    Jessie Eaker ist, seines Frauennamens
ungeachtet, ein Mann. Diese »weibliche Schreibart« seines Vornamens, »Jessie,
mit einem ›ie‹«, habe in seiner Familie Tradition, sagt er. Und seinen
Nachnamen, Eaker, spreche man in seiner Heimatstadt, Richmond in Virginia, eher
wie »acre« aus (die Bezeichnung für ein amerikanisches Landmaß). Er ärgere sich
zwar ab und zu über die Missverständnisse, die das mit sich bringe – sei aber
dennoch stolz darauf, einen in der Geschichte unseres Südens so bedeutenden
Namen zu tragen. Jessie ist schon mit vier anderen Storys in dieser Reihe
vertreten. Mir scheint, da ist den anderen Lektoren, Herausgebern und Verlagen
eine gute Feder entgangen!
    Hauptberuflich,
erzählt er, sei er Informationsberater (was immer dies ist!) für ein in
Richmond ansässiges Unternehmen, das zu den hundert größten der USA zähle.
Ansonsten sei er, mit seiner Frau Becki, vollauf mit ihren »außergewöhnlich
aufgeweckten und talentierten Kindern« beschäftigt. Ich bin nicht sicher, ob
das eine für einen Vater ziemliche Meinung oder ein objektives Urteil ist, aber
was immer – mehr Power für ihn bestimmt.
    Zu dieser
Geschichte nun, schreibt er, habe ihn das Nähzeug seiner Frau inspiriert, mit
welchem er sich den »begehbaren Wandschrank« teile, der ihm als Büro diene. –
MZB

JESSIE D.
EAKER
     
    Die Nadel und
das Schwert
     
    Das plötzliche Lärmen drunten im
Burghof ließ Ora von ihrer Stickarbeit aufblicken. Eine jähe Angst verkrampfte
ihr den Magen. Es war klar, was das bedeutete: das Hufgetrappel und das
Geschrei der Wächter, der Befehl, Frau Trista zu rufen. Doch es konnte nicht so
weit sein. Nicht jetzt. Nicht schon wieder! Sie stierte auf die noch nicht
recht weit gediehene schwarze Stickerei auf dem roten Gewand. Nun hatte sie
erst ein einziges einsames Blütenblatt von dem fertig, was eine schlichte Blume
werden sollte. Dass sie nach all den Jahren, mochten ihre Augen auch schlechter
geworden sein und ihre Hände etwas zittrig, noch immer das Schlichte so
verschönern konnte … Aber es war zu befürchten, dass sie nicht so rasch die
Muße fände, diese Arbeit zu Ende zu führen.
    Es waren neue
Opfer eingetroffen.
    So versuchte
sie den Lärm zu überhören, der zum Turmfenster hereinschlug, versuchte die
Nadel wieder einzustechen. Aber ihre Hand blieb reglos, wie gelähmt, ihre
Finger ganz steif und starr. Darauf ließ sie, widerwillig zwar, doch unfähig,
dem Impuls zu widerstehen, den Blick über die kahle Wand zu einem schmalen
Fensterchen schweifen, von wo das Licht für ihre Arbeit kam. Alles, was sie von
ihrem Stuhl aus sah, waren der stille blaue Himmel und ein paar träge Wolken –
so ganz das Gegenteil der Unruhe, die ihre Ohren plagte.
    Besser, ich
seh nicht nach, sagte sie sich. Besser, sie sah sie überhaupt nicht! Also
wandte sie sich wieder dem Gewand zu, brachte auch ihre Finger zum nächsten
akkuraten Stich – als es unten im Hof einen Aufruhr gab, ein

Weitere Kostenlose Bücher