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Silberschwester - 14

Silberschwester - 14

Titel: Silberschwester - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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finden sich nicht so rasch für
eine Frau, die schon alt war, als ich, so jung wie du jetzt, sie einst kennen
lernte.« Nun versagte Ora die Stimme, musste sie doch an die Umstände jener
Begegnung denken und auch an die Entscheidung, die sie damals getroffen hatte.
Aber sie schob nun den schmerzlichen Gedanken beiseite, zwang sich in die
Gegenwart zurück: »Ihre Zusage, eine von euch gehen zu lassen, war übrigens
ehrlich. Sie braucht ja nur eine von euch beiden, und wird die andere darum
freilassen. Sie hält ihr Wort, so schlecht und grausam sie auch ist.«
    »Und du bist
nicht schlecht.«
    Ora schloss
die Augen und drängte die Tränen zurück, die ihr kommen wollten. »Doch, ich
auch«, erwiderte sie entschieden und holte tief Atem. »Ich bin es ja, die dem
Opfer ein paar Haarsträhnen abtrennt. Und auch die, die damit das magische
Symbol auf der Robe des Lebens stickt. Aber der Unterschied zwischen Trista und
mir ist, dass ich weiß, dass ich schlecht bin. Und ich hasse mich dafür. Mein
Irrweg begann mit einem einzigen Akt beispielloser Feigheit. Verglichen damit
ist jede Untat, die ich seither begangen habe, ein kleineres Übel … Die
Göttinmutter wünscht sich sicher, sie hätte nie ein so schlechtes Wesen auf die
Erde gelassen!«
    Da reckte sich
die Kriegerin und trat einen Schritt auf Ora zu. »Wenn ich dich also töte, kann
die Hexe ihr teuflisches Werk nicht vollbringen?«
    Ora lachte.
»So einfach ist es nicht. Nein, dieses magische Symbol kann jede sticken, die
halbwegs bei Verstand ist. An mir ist nichts Besonderes … und an dem Muster
auch nicht. Trista lässt es mich nur machen, weil sie weiß, dass ich das hasse.
Ja, sie selbst gebietet über die Magie und setzt sie erst frei, wenn sie die
Robe trägt. Und das Symbol formt die Kraft nur nach ihrem Willen.« Ora seufzte
tief. »Wie lautet nun deine Entscheidung, Kriegerin? Wer wird Tristas nächstes
Opfer sein, du oder deine Tochter?«
    »Darauf
erwartest du doch nicht etwa eine Antwort!«
    »Gut. Dann lasse
ich dir noch ein paar Augenblicke Zeit, es dir zu überlegen«, sprach Ora,
machte auf dem Absatz kehrt, klopfte, dem Wächter zum Zeichen, wartete, bis die
in ihren Angeln quietschende Tür sich geöffnet hatte – und schob dann noch
nach: »Ich gehe jetzt zu deiner Tochter. Soll ich ihr denn irgendetwas von dir
sagen?«
    »Sag ihr«,
erwiderte die Soldatin, und in ihrem todernsten, beherrschten Gesicht zuckte
bloß ein Mundwinkel, »sage ihr, ich lasse nicht zu, dass ihr etwas geschieht!«
    Ora nickte
knapp. »Ich richte es ihr aus.« Aber in Gedanken war sie schon weiter: Sie hat
ihre Entscheidung doch längst getroffen –alle Mütter geben mit Freuden ihr
Leben für das ihrer Kinder hin. Alle außer mir.
    Alle außer
mir.
     
    Der Wächter vor dem Kerker des
Mädchens wirkte bedrückter – als ob er etwas Bitteres gekostet habe. Ora musste
ihn nicht einmal ansprechen: Er öffnete ihr die Tür schon, als er sie kommen
sah.
    Bei ihrem
Eintreten fand sie die Kleine auf einer Strohmatte sitzend, die Knie bis zum
Kinn hochgezogen, die Haare voller Stroh, die Augen gerötet. Sicher vom Weinen,
dachte Ora sich. Das Kind blickte auch auf, als es sie eintreten hörte, sank
aber wieder in sich zusammen, als es sah, wer da kam.
    »Hallo,
Kleine«, grüßte Ora freundlich. »Wie geht es dir denn?«
    Aber die Kleine
gab keine Antwort und starrte sie bloß mit großen, feuchten Augen an.
    Also tat Ora
behutsam noch einen Schritt und sagte: »Ich bin Ora und bringe dir Grüße von
deiner Mutter.«
    Im Nu war das
Mädchen auf den Knien und keuchte, das Gesicht vom strahlendsten Lächeln
erhellt: »Grüße? Hat sie sonst noch etwas gesagt? Geht es ihr gut?«
    Da hatte Ora
das Mädchen schon in ihr Herz geschlossen. Was für ein schönes Kind! Genau wie
Elita. Und einen Moment lang kehrten die schmerzlichen Erinnerungen wieder
zurück: Etwa daran, wie ihre Tochter ihr einst eine schlichte wilde Blume
gebracht hatte.
    »Ist sie nicht
schön, Mutter?«, hatte sie gefragt.
    Und eine um so
viel jüngere Ora hatte gelacht und sie sich ins Haar gesteckt. »Wunderschön ist
sie, so wie du …«
    Da rüttelte
die Kleine sie am Arm. »Bitte, erzähle mir, was meine Mutter gesagt hat!«
    Ora blinzelte,
versuchte die Erinnerungen abzuschütteln und rang sich ein Lächeln ab. »Ja,
mein Kind, das will ich. Sie sagt, du sollst keine Angst haben, sie lässt nicht
zu, dass dir etwas geschieht!« Die Kleine schien das kurz zu überdenken und
lächelte dann. »Ja, das

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