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Silberschwester - 14

Silberschwester - 14

Titel: Silberschwester - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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machte einen Buckel und einen Schwanz zweimal so dick
wie sonst.
    Das Kind
erstarrte.
    Da sputete
Winter sich, obwohl sie fast nicht schneller konnte – Wanderbursche war zu ihr
wohl freundlich und an den meisten anderen Menschen kaum interessiert. Aber er
war doch eine Wildkatze.
    Jetzt duckte
er sich, sprang aber nicht. Fauchend presste er sich an den Boden, den Schwanz
an den Körper gedrückt. Ach, wirklich, ihr furchtloser Wildkater hatte Angst!
    Jetzt suchte
er gar das Weite!
    Das Gesicht
des Kindes lag im Schatten.
    Aber dass es
schwarzes Haar hatte, war nicht zu übersehen. Sie fühlte Angst in sich – nur
eine im Dorf hatte schwarzes Haar, oder: Nur eine dort hatte sieben Jahre zuvor
schwarzes Haar gehabt. Das Kind musste Rabins Tochter sein.
    Sie streckte
ihm beruhigend die Hand hin und fasste sich nun: »Spatz, bist du verletzt?«
    »Nein! Ich war
Holz sammeln, als die Banditen kamen! Da habe ich mich im Wald versteckt. Sie
haben mich nicht gefunden«, schluchzte Spatz. Und Winter konnte sie nicht
trösten, weil die Kleine doch Angst vor ihr hatte – alle Kinder in Tjalve
wurden doch dazu erzogen, sie zu fürchten. »Sie haben Papa getötet!«, rief
Spatz. »Und Mama mitgenommen.«
    Vor Angst war
sie wie gelähmt, beinahe stocksteif: Die Kerle hatten Rabin entführt!
    »Mama hat
gesagt«, schluchzte das Mädchen, »wenn ihr etwas zustößt, soll ich zur Hexe
gehen.«
    »Ah ja?«,
fragte Winter erstaunt. Aber ihr Staunen löste sich schnell in Ärger auf. Sie
hatte Rabin nun seit sieben Jahren nicht mehr gesehen. Rabin hatte ihre Wahl
getroffen, und sie die ihre, und sie war dafür aus Tjalve verbannt worden.
    Doch Rabins
Töchterlein warf sich ihr in die Arme, dass sie fast umgefallen wäre. Da ließ
sie ihren Stock fallen, um ihr Gleichgewicht zu finden, und herzte und drückte
die weinende Kleine.
    Wenigstens ein
Kind, das sich nicht vor ihr fürchtete.
    Sie murmelte
beruhigende Worte, Trost, und schloss die Hand ganz fest um ihren Stab. Und das
Kind sank ihr an die Brust, schlaff und stumm wie ein Mehlsack.
    Sie hatte es
in den Schlaf gezaubert.
    Das kleine
Ding im Arm, eilte Winter in ihre winzige Hütte. Ein Wink mit dem Stab, und die
paar Kerzen brannten, und sie sah nun in deren Licht das Gesicht der sechs
Jahre alten Tochter Rabins zum ersten Mal in aller Klarheit. Und da zog sich
ihr das Herz zusammen, war ihr doch für einen Augenblick, als ob sie Rabin als
Kind vor sich sähe.
    Vorsichtig
bettete sie die Kleine auf ihr Lager, deckte sie schön zu und strich ihr das
Haar glatt. »Ich schwöre bei der Mondfrau Szethra …«, murmelte sie, »dass ich
alles in meiner Macht Stehende tun werde, damit deine Mutter dich hier noch
wecken kann.«
    Ihre
Visionenschale, ein Kleinod aus reinem Silber, funkelte im Schein von drei
Bienenwachskerzen. Doch das Wasser auf dem Grunde zeigte ihr das Dorf in
Flammen – Menschen, die leeren Blickes zwischen brennenden Hütten, Häusern
umherirrten, die Verwundete versorgten, die Tote beweinten … und als Winter
sich mit den Händen nun übers Gesicht rieb, hatte sie gleich Blut an den
Fingernägeln.
    Mit einem
schmerzlichen Gefühl der Erleichterung sah sie da Distel, die Schwester ihrer
Mutter, Wunden verbinden … Nur diese Tante hatte sie seit ihrer Vertreibung aus
Tjalve von sich aus besucht. Sie und ihr Mann selig hatten keine Kinder
bekommen – also hatte sie heute kein eigen Fleisch und Blut verloren. Aber
Spatz, die hatte wirklich den Vater verloren: Jäger lag reglos, Brust und Hals
von Pfeilen durchbohrt, im blutroten Morast.
    Unter den
Toten war auch Bürgermeister Wagner. Sie hatte ja immer gemeint, sie würde sich
über seinen Tod freuen, fühlte jetzt aber gar nichts, weder Freude noch Trauer.
Angesichts von so viel Not und Tod war es vielleicht unmöglich, Triumph und
Schadenfreude zu empfinden. Und sie und er waren an der Zerstörung von Tjalve
wohl ebenso schuldig wie diese Räuber.
    Rabin aber war
nicht im Dorf. Es waren überhaupt kaum junge Frauen zu sehen – ob tot oder
lebendig. Wohin nur hatten die Banditen sie gebracht?
    Sie hob zu
singen an. Da verschwamm das Bild im Wasser, als ob sie nun durch das Auge
eines rasend schnell in den Himmel aufschießenden Falken sähe. Und als sie
verstummte, war das brennende Dorf ein kleiner Fleck ganz tief drunten und
waren die anderen Dörfer unsichtbar in der schwarzgrünen Weite des Waldes. Nur
dicht am Rand der Schüssel glomm dort, wo keine Siedlung lag, ein winziger
Funke.
    Auf ein paar
Worte

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