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Silberschwester - 14

Silberschwester - 14

Titel: Silberschwester - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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sich da von weitem die wütende Tante Distel vernehmen. »Was tust du hier?«
    Die Hand gab
Winters Mund frei, schloss sich dafür hart und schmerzhaft um ihren Arm.
    »Schuft!«,
schrie die junge Frau den Schultheiß an, »in meinem Herzen ist ja weniger
Bosheit als in einem einzigen Haar auf deinem Kopf!« Und mühsam, die Wut
schnürte ihr die Kehle zu, drohte sie: »Wenn ich aus Tjalve verbannt werde,
kann Tjalve keinen Schutz mehr von mir erwarten!«
    Da sah sie
Schrecken in Gesichtern, in denen sich zuvor nur Staunen, Neugier, Zweifel gemalt
hatte. Sie war dem Kerl in die Falle gegangen … Wenn sie ihre Hand vom Dorf
zurückzog, verstieß sie gegen den Auftrag der Mondfrau an ihre Familie und an
alle Magier – was wieder seinen Vorwurf, sie sei eine Hexe, zu erhärten schien.
Aber sie war zu stolz, um sich dem rachsüchtigen Bürgermeister zu beugen. Sie
würde ihre Worte nicht zurücknehmen.
    »Winter, du
bist aus Tjalve verbannt«, verkündete er da. »Es ist dir, bei Strafe des Todes
verboten, zurückzukehren. Und es ist allen, bei Strafe der Verbannung,
untersagt, mit dir zu reden oder dir zu helfen.« Nun blickte er, an ihr vorbei,
seine Söhne an: »Schafft sie fort!«
    Und sie
schleiften Winter zum Dorfe hinaus. So lange es ging, sah sie nach Rabin
zurück. Aber die blickte ihr nicht nach.
    Nun warfen die
Söhne des Bürgermeisters sie in den Wald. Und sie blieb liegen, wohin sie
gefallen, rührte sich nicht, den ganzen Tag und auch die Nacht über nicht. Aber
als am Morgen ein schlimmer Sturm losbrach, rappelte sie sich auf und ging zu
der Hütte, die man für Wolfhund gebaut hatte, der Oberjäger von Tjalve gewesen
war, bis ihm ein Ast auf den Kopf gefallen war. Magie kann einen Schädelbruch
heilen, aber keinen Hirnschaden: Als Wolfshund erwachte – da war er ein anderer
Mensch, der nicht einmal seine geliebte Frau wieder erkannte und sich vor allen
fürchtete. Also rodeten seine Brüder ein Stück Wald, bauten ihm eine Hütte und
brachten ihm seitdem immer sein Essen hinaus. Vor ein paar Jahren war er
spurlos verschwunden … nach Meinung der Dörfler von Wölfen oder Bären
gefressen.
    Als Winter in
dieser einfachen Hütte Zuflucht nahm, fand sie dort nun, zu ihrem Staunen,
weder Staub noch Spinnweben vor, sondern erntefrische Lebensmittel und ihre
Kleider, Pritsche und Folianten, ihre Sehschale und den Stab – ihre gute Tante
hatte, bevor die Dörfler ihr Elternhaus plünderten, all ihr Hab und Gut
gerettet, auch wohl geahnt, wohin es zu bringen war.
    Wäre Winter
wirklich eine böse Hexe gewesen, wäre sie sofort mit ihrem Stock ins Dorf
zurück, um es zu zerstören. Sie tat nichts dergleichen. Trotzdem kamen dann
die, die das Verbot des Schultheißen missachteten, nur, um ihr Schwerkranke
oder lebensgefährlich Verletzte zu bringen, und blickten sie dann ängstlich an,
als ob sie fürchteten, von ihr auf der Stelle niedergestreckt zu werden. Nur
Tante Distel bildete da eine Ausnahme …
    Wie dumm das
alles gelaufen war! Warum hatten sie und Rabin den Bürgermeister denn immer
ärgern müssen? Natürlich, sie waren ja Kinder gewesen; doch das war keine
Entschuldigung. Entschuldigte das aber, dass ein alter Mann – ein Anführer! –
so kindisch rachsüchtig war?
    Mit den Jahren
war ihr klar geworden, dass es ihm eher um Macht als etwa um Rache gegangen
war! Er hatte ihren Vater gehasst, da der die Autorität besaß, die ihm, dem Bürgermeister,
abging; und bei einem Mädchen konnte er derlei Macht natürlich nicht dulden … ja,
darum hatte er sie aus dem Dorf vertrieben und verbannt.
    Aber war es
ihm denn nie eingefallen, dass früher oder später noch mehr Banditen nach
Tjalve kämen?
    Wagner war ein
verbitterter alter Narr. Und sie eine stolze junge Närrin. Und zusammen hatten
sie jetzt ihr Dorf auf dem Gewissen.
    Sie fasste
ihren Stab fester – sie hatte unter den Gefangenen der Räuber eine Frau
entdeckt, der Haare so schwarz, dass sie im Feuerschein glänzten, übers Gesicht
hingen. Du mit deinem schwarzen Haar, hatte sie Rabin immer geneckt, du hast
wohl einen durchreisenden Fremden zum Vater gehabt!
    Nun hob die
Gefangene den Kopf und warf jäh das lange offene Haar zurück. Ihr
tränenverschmiertes Gesicht zeigte, wider Winters Erwarten, keinerlei Furcht,
bloß helle Wut. Und sie blickte so böse zum Himmel empor, als ob sie mit den
Göttern hadere.
    Winter kämpfte
gegen ihre eigene Wut an: Sie musste die Ruhe bewahren, ruhig bleiben, um die
Vision nicht zu stören. Noch wusste

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