Silberstern Sternentänzers Sohn 01 - Der geheimnisvolle Hengst
die Kleinen und für meine Familie drin.“ Er zwinkerte Annit zu. „In drei Tagen bin ich garantiert wieder da.“
Annit und Rocco winkten ihm, als er in der Abflughalle verschwand. Sehnsüchtig schaute Annit durch die großen Glasfenster nach draußen, dort standen die Flugzeuge - bereit zum Abflug. Am Ende der Startbahn erhob sich gerade eines in die Luft, leicht wie ein Vogel. Annit wäre am liebsten mitgeflogen in die weite Welt. Sie spürte plötzlich wieder die gleiche Unruhe wie vor ein paar Monaten, als sie noch zu Hause in Deutschland gewesen war und gewusst hatte, dass sie fort musste.
Auf der Rückfahrt entschied Annit dann, Rocco ohne große Umschweife auf den Auftritt im Lazienki-Park anzusprechen. Warum soll ich auch drum herum reden? Entweder stimmt er zu oder nicht, sagte sie sich. „Erinnerst du dich noch an das Amphitheater?“, fragte sie.
Rocco warf ihr einen kurzen Blick zu, bevor er seine Augen wieder auf die Straße heftete. „Aber sicher. Eine wunderbare Bühne.“
„Ganz genau“, pflichtete Annit ihm bei. „Und sie ist wie geschaffen für dich und deine Show. Nächste Woche kannst du dort auftreten.“
„Sicher werde ich nächste Woche auftreten“, entgegnete Rocco gelassen. „Aber nicht in diesem Amphitheater, sondern bei uns im Zirkus.“
Enttäuscht runzelte Annit die Stirn. „Und das ist dein letztes Wort?“
Rocco bremste ein bisschen ab. Denn ein anderes Auto hatte sie gerade überholt und wollte nun wieder einscheren. „Solange ich meine Truppe noch nicht hatte und für sie verantwortlich war, wäre ich allein überall aufgetreten“, erklärte er. „Aber jetzt ist das was anderes. Ich will keine Extrawurst, nur weil ich zufällig der Zirkusdirektor bin. Entweder treten wir alle auf oder keiner. Und da Ersteres nicht geht, hat sich der Fall für mich erledigt.“
Bei der nächsten Vorstellung schaute Annit sich immer wieder suchend um, ob sie den Jungen vielleicht unter den Zuschauern entdeckte. In den letzten Tagen hatte sie sich oft dabei ertappt, wie ihre Gedanken zu ihm geschweift waren. Doch sie sah ihn nirgendwo. Hoffentlich hat Rocco ihn nicht total eingeschüchtert, sodass er nie wieder hier auftaucht, dachte sie. Wenn Rocco es darauf anlegt, kann er einem ja schon ziemlich Furcht einflößen mit seiner großen muskulösen Statur. Noch dazu, wenn er ein finsteres Gesicht macht.
Wie an jedem Abend schaute Annit auch heute noch einmal aus dem Zelt, bevor sie in ihren Schlafsack kroch. Sie wollte sich vergewissern, dass niemand dort draußen herumschlich.
Kaum hatte sie dann die Augen geschlossen, fiel sie in einen tiefen Schlaf und träumte.
Ein heftiger Wind brauste plötzlich auf. Annit sah, dass Silberstern auf einem Felsen stand, der von tosendem Wasser umspült wurde. Annit schrie auf, da sie Silbersterns ängstliches Wiehern hörte. Sie wollte zu ihm, um ihm zu helfen. Doch da versank der Felsen langsam in dem reißenden Fluss. Der schwarze Hengst warf den Kopf hin und her und sah sie mit durchdringendem Blick an. „Silberstern“, rief Annit entsetzt - und war mit einem Mal hellwach.
Silberstern ist in Gefahr, dachte Annit voller Angst. Da drang ein seltsames Geräusch an ihr Ohr. Es hörte sich genauso an wie das tosende Wasser in ihrem Traum - nur viel leiser. Annit fuhr zusammen und schoss hoch. Ist der Junge vielleicht wieder da? Hat er uns einen Bären aufgebunden und schleicht sich nun klammheimlich mitten in der Nacht an, um irgendwas anzustellen? Um den Pferden zu schaden?
Annit schälte sich schnell aus ihrem Schlafsack, schlüpfte in einen langen Pullover und verließ das Zelt. Zunächst konnte sie nichts erkennen. Der Mond, der sonst sein helles Licht auf den Platz warf, hatte sich ge rade hinter einer dicken Wolke versteckt. Angestrengt lauschte sie in die Dunkelheit. Und dann hörte sie es plötzlich wieder - ein leises Plätschern drang vom Unter stand der Pferde zu ihr herüber. Sie huschte in Richtung
Pferdekoppel. Jetzt konnte sie beim Unterstand eine Gestalt ausmachen. Schnell versteckte sie sich hinter Roccos Wohnwagen und lugte vorsichtig hervor. Die Gestalt stand weiterhin an der Pferdetränke. Es sah fast so aus, als würde sie etwas hineinwerfen.
Annit wusste, dass sie sofort etwas unternehmen musste. Denn was auch immer diese Gestalt den Pferden ins Wasser schüttete - harmlose Zuckerstückchen waren es bestimmt nicht.
Diesmal brauchte Rocco ein bisschen
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