Silberstern Sternentaenzers Sohn 04 - Familiengeheimnisse
Annit ihren Eltern ihren Plan. „Es ist besser, wenn wir euch verlassen“, sagte sie mit fester Stimme.
Alle drehten die Köpfe und sahen sie überrascht an.
„Ich wollte euch finden, und das habe ich.“ Annit zuckte mit den Schultern. „Wir haben uns kennengelernt, und vielleicht ist es besser, wenn von nun an wieder jeder sein eigenes Leben lebt.“ Annit blickte von Elena zu Achmed.
Achmed schwieg und starrte auf seinen Teller.
Elena lehnte sich zurück und schnaufte tief durch. „Annit, Tochter, es ist natürlich deine freie Entscheidung zu gehen“, begann sie.
Damit ist ja alles klar. Annit wollte aufstehen.
Doch Elena hielt sie am Arm zurück. „Aber ich möchte dich von Herzen bitten, noch etwas zu bleiben.“
Überrascht horchte Annit auf. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Elena versuchen würde, sie zum Bleiben zu überreden.
„Gib uns allen doch eine Chance, Annit!“ Elena legte die andere Hand auf Achmeds Arm. „Für uns beide ist das auch nicht einfach. Plötzlich bist du da. Wie eine Fügung des Himmels stehst du vor unserer Tür. Wie ein Wunder. Glaub mir, das ist nicht einfach, Annit! Und daher bitte ich dich, uns allen noch etwas Zeit zu geben."
Annit schluckte. Mach es mir doch nicht so schwer!
„Aber“, fuhr Elena fort. „Ich will dich nicht überreden. Dazu habe ich kein Recht. Wenn du dich bei uns nicht wohlfühlst, dann kannst du natürlich jederzeit gehen.“
Annit senkte den Blick. Sie mochte Elena, die ihr zugleich so fremd und doch so nah war. Und dann war da immer noch diese leise Stimme tief in ihrem Innern, die sagte: Bleib, Annit! Du hast noch eine Aufgabe zu erfüllen. Als Annit den Kopf hob, schaute sie direkt in die blauen Augen ihrer Mutter - Tränen glitzerten darin. Annit nickte leicht. „Also gut. Ich bleibe noch. Vorerst.“
Elena war die Erleichterung anzumerken, ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen. Dann stand sie auf und nahm den Vogelkäfig von der Decke. „Komm mit“, forderte sie Annit auf.
Was wird denn das?, wunderte sich Annit, während sie ihrer Mutter nach draußen folgte.
Im Garten stellte Elena den Käfig ab und öffnete ihn. Behutsam holte sie den kleinen Vogel heraus. Mit einer Hand hielt sie ihn fest, mit der anderen streichelte sie seine Federn. „Möge das, was uns verbindet, zu einem unsichtbaren Band werden, das niemand mehr zerreißen kann“, murmelte sie. Dann hob sie ihren Arm hoch und ließ den Vogel fliegen. „Trag meinen Wunsch in den Himmel, kleiner Vogel“, rief sie ihm nach.
Höchst verblüfft hatte Annit ihre Mutter beobachtet. „Was war das jetzt?“, wollte sie wissen.
„Wir glauben daran, dass Käfigvögel Wünsche in den Himmel tragen, wenn man sie freilässt“, erklärte Elena. „Früher glaubte man, dass die Seele den Körper in Form eines Vogels verlässt.“
Fasziniert und verwirrt zugleich betrachtete Annit ihre Mutter aus den Augenwinkeln. Sie war so fremd und so vertraut zugleich. Und Annit war klar: Sie musste noch bleiben.
Am Nachmittag darauf kam Elena zu Annit ins Zimmer. Annit hatte gerade Bilder von ihrer Familie zu Hause aus dem Rucksack herausgekramt und betrachtete sie wehmütig. Zärtlich strich sie mit dem Finger über das Gesicht ihrer Adoptivmutter.
„Hallo." Elena trug ein hübsches, buntes Gewand, um den Hals hatte sie viele blaue Ketten gelegt. „Magst du mit mir kommen?“, fragte sie.
Annit zuckte zusammen. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass Elena das Zimmer betreten hatte. Obwohl Annit keine Ahnung hatte, wohin, nickte sie sofort. „Klar“, meinte sie und schlüpfte in ihre Flipflops. „Wohin denn?“
„In einen Hamam.“
„Was ist das denn?“, fragte Annit.
„Lass dich überraschen!“, antwortete Elena.
Sie fuhren mit dem Dolmus in den nächstgelegenen größeren Ort. In einem Wohnviertel stiegen sie aus. Elena steuerte auf ein hohes Gebäude zu und drückte die Tür auf, Annit folgte ihr. Sie betraten eine schmucklose Halle, in der ein Springbrunnen plätscherte. Eine Frau reichte ihnen Badesandalen und Tücher. Ihre Kleidung legten sie in einer abschließbaren Ruhekabine ab und wickelten sich die Tücher um die Hüften. Weiter ging es durch einen mäßig warmen Raum in den eigentlichen Schwitzraum. Der Marmorfußboden dort war so stark beheizt, dass man ihn barfuß nicht betreten konnte. Die Luft war dampfig vor Wärme und Feuchtigkeit.
Annit atmete tief durch. Eigentlich mochte sie feuchte Hitze
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