Silberstern Sternentaenzers Sohn 04 - Familiengeheimnisse
nächsten Morgen in die kleine Küche kamen, stand Elena am Fenster. In der Hand hielt sie ein Stück Papier. Die Arme hatte sie verschränkt, ihr Blick war starr nach draußen gerichtet.
„Guten Morgen, Elena“, grüßte Mannito fröhlich. Ruckartig drehte sich Elena um. „Er ist weg“, sagte sie nur statt einer Begrüßung. Ihre Augen zeigten große Sorge.
„Wer?“, fragte Annit.
„Achmed ist weg.“ Aufgelöst wedelte Elena mit dem Zettel, den sie in der Hand hielt. „Heute Nacht.“
Behutsam nahm Annit ihr den Zettel aus der Hand. Sie konnte nicht entziffern, was darauf stand. Doch sie konnte es sich denken. „Er hat dir diese Nachricht hinterlassen, oder?“, vergewisserte sie sich.
Elena nickte.
„Steht da nicht drauf, wo er hin ist?“, vermutete Annit.
Wieder nickte Elena. „Ja, er will ins Gebirge, um etwas zu holen“, erklärte sie leise.
„Na also.“ Mannito zuckte mit den Schultern. „Dann ist er doch gar nicht verschwunden, und alles ist in Ordnung.“ Er spähte in der Küche umher auf der Suche nach etwas Essbarem wie ein hungriges Raubtier auf der Suche nach Beute.
Ganz langsam schüttelte Elena den Kopf. „Ihr versteht nicht. Der Ort, zu dem Achmed gegangen ist, ist gefährlich. Sehr gefährlich.“
„Warum? Gibt’s da noch Bären oder so?“, versuchte Mannito zu feixen. Er hatte noch ein Stück Fladenbrot entdeckt und kaute darauf herum.
Wieder schüttelte Elena ganz langsam den Kopf. „Es ist ein sehr, sehr gefährlicher Ort“, wiederholte sie nur mit leerem, starrem Blick.
Annit nahm ihre Hände. „Was genau ist denn mit diesem Ort? Warum ist der so gefährlich? Kannst du uns das nicht deutlicher erklären?“
„Man darf dort nicht allein hingehen“, sagte Elena mit bebender Stimme. „Achmed weiß ganz genau, dass ich es nie zugelassen hätte, dass er allein dorthin geht. Deshalb hat er auch diesen Brief geschrieben und ist heimlich nachts aufgebrochen.“
„Und was ist das für ein Ort? Und was will er dort?"
„Es ist der Ort der Steinlawinen. Er will dort einen Stein holen.“
Annit zuckte zusammen. „Was?“
„Es ist der Ort der Steinlawinen“, wiederholte Elena. „Die Steinlawinen haben schon einige Menschen getötet.“
Mein Traum, schoss es Annit durch den Kopf. Das hat was mit meinem Traum zu tun. Sofort erinnerte sie sich an die seltsame Szene aus ihrem Traum, für die sie bisher keine Erklärung gefunden hatte. Vor ihrem geistigen Auge sah sie die gebückte, dunkle Gestalt, auf die Felsenbrocken herabprasselten, bis sie im Boden verschwunden war. In ihrem zweiten Traum hatte die Gestalt sogar ein Gesicht gehabt: Achmeds.Gesicht.
Der Ort der Steinlawinen, ein gefährlicher Ort. Das würde passen, dachte Annit aufgeregt. War das Silbersterns Botschaft? Wollte er mir mitteilen, dass Achmed in Gefahr ist. Dass er in eine Steinlawine gerät ? Ja, das würde Sinn machen. Sie begann zu zittern.
Elena spürte ihre Unruhe und sah sie fragend an . „Was hast du?“
Rasch ließ Annit die Hände ihrer Mutter los und drehte sich zum Fenster. „Wo liegt dieses Gebirge denn?“, erkundigte sie sich dann so ruhig wie möglich.
Elena zuckte nur die Achseln. „Ich weiß es nicht, ich war noch nie dort.“
„Aber du musst doch ungefähr wissen, wo es liegt?“, bohrte Annit nach. „Wenigstens in welcher Richtung?“
Mannito war in der Zwischenzeit zu seinem Rucksack geflitzt und hatte die Karte geholt. Er breitete sie auf dem Küchentisch aus. „Schau mal, Elena! Ihr wohnt ungefähr hier. Wo liegt dieses Gebirge?“
Elena schaute hilflos auf die Karte. Von links nach rechts und wieder zurück. Es war offensichtlich, dass sie nichts erkennen konnte. „Ich weiß es nicht“, murmelte sie nur immer wieder vor sich hin. „Ich weiß nur, dass es sehr gefährlich ist.“
Mannito nahm die Karte an sich und betrachtete sie genauer. Dann deutete er mit dem Finger auf eine Stelle. „Hier ist ein Steinbruch eingezeichnet.“ Er rutschte mit seinem Finger weiter. „Hier allerdings auch. Und hier auch. Mist! Das bringt uns nicht wirklich weiter.“
Annit überlegte fieberhaft. „Welcher dieser Steinbrüche liegt am nächsten?“, fragte sie dann. „Achmed ist vermutlich zu Fuß unterwegs, da kommt er nicht allzu weit.“
Mannito studierte erneut die Karte. „Dieser hier.“
Annit beugte sich über die Karte und versuchte, sich alles so gut wie möglich einzuprägen. „Okay“, beschloss
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