Silberstern Sternentaenzers Sohn 04 - Familiengeheimnisse
Weg sich weitete. Vor ihr erhob sich ein gewaltiges Gebirge. Plötzlich stand sie vor einem Steinbruch. Im Hintergrund ragten hohe schroffe Felswände in die Luft. Dunkel und bedrohlich. Annit wollte umkehren, doch es ging nicht. Da tauchte ein noch helleres Licht auf. Dann eine gewaltige Staubwolke. Überall waren nur Staub und helles Licht. Annit klammerte sich an Silbersterns Mähne fest. Der schwarze Hengst bäumte sich auf, und plötzlich sah Annit etwas. Eine leicht gebückte, dunkle Gestalt, die umgeben war von einem hell lodernden, riesigen Feuerkreis. Gebannt starrte Annit darauf. Zunächst konnte sie das Gesicht der Gestalt wieder nicht erkennen. Doch als der Feuerkreis näher kam, erkannte Annit das Gesicht immer deutlicher. Es war ein dunkles Gesicht mit einem Schnurrbart. Es war Achmeds Gesicht. Das Gesicht ihres Vaters... Plötzlich stürzten Felsbrocken auf Achmed herab. Riesige Felsbrocken. Immer mehr und immer schneller. Annit wollte aufschreien und ihn warnen. Doch wieder brachte sie keinen Ton heraus. Achmed sank in den Boden. Immer tiefer, bis er ganz verschwunden war. Zurück blieb nur der hell lodernde Feuerkreis.
Schweißgebadet schreckte Annit aus dem Traum auf. Es war der gleiche Traum gewesen wie vor ein paar Wochen an der Küste. Wieder die Steinlawine, wieder der Schatten. Doch diesmal hatte der Schatten ein Gesicht: Es war Achmed.
Annit rieb sich die Augen. „Was willst du mir nur mit diesem Traum mitteilen, Silberstern? Was hat es mit Achmed auf sich? Willst du mich vor ihm warnen? Vor meinem Vater? Aber warum? Sollen wir besser heimfahren?“ Annit wischte sich über ihre tropfnasse Stirn. Dann stand sie auf und blickte aus dem Fenster. In der Dunkelheit war von dem weiten, kargen Land nicht viel zu sehen. Und wieder wünschte sie, sie wäre niemals hierher gekommen. Doch sie wusste auch, dass sie es hatte tun müssen. Annit lehnte ihre Stirn, die so heiß war, als habe sie Fieber, gegen die kühlende Fensterscheibe. Silberstern warnt mich vor Gefahren, überlegte sie. Und wenn nun Achmed in meinem Traum auftaucht, kann das doch nur bedeuten, dass er mich vor ihm warnen will. Aber warum nur?
Am nächsten Morgen half Annit Elena den Frühstückstisch zu decken. Es gab Butter, Honig, Käse, Oliven, Tomaten und Tee. Elena schickte sie in den Garten, um ein paar frische Pfefferminzblätter für den Tee zu holen.
Tief in Gedanken versunken und immer noch aufgewühlt von ihrem Traum lief Annit hinaus. Plötzlich hielt sie inne. Aus dem Stall drang lautes Wiehern zu ihr herüber.
„Das ist doch Silberstern!“ Annit eilte zum Stall und erblickte Achmed, der versuchte, Silberstern aus dem Stall zu holen. Doch der schwarze Hengst weigerte sich, sich von ihm fuhren zu lassen, und rührte sich nicht vom Fleck. „Silberstern, was ist denn los?“, murmelte Annit, während sie die Szene beobachtete.
Das Pferd konnte Gefahren vorausahnen und sich über Träume mitteilen. Und manchmal reagierte es auch panisch auf gefährliche Menschen, so wie kürzlich auf diesen Typen im weißen Anzug. Aber warum reagierst du so merkwürdig auf Achmed, Silberstern? Vor ihm brauchen wir doch keine Angst haben, oder?
„Annit!“ Achmed hatte sie entdeckt und rief laut ihren Namen. „Komm bitte her!“
Annit zögerte einen Moment, doch dann folgte sie der Aufforderung.
Achmed drückte ihr Silbersterns Zügel in die Hand. „Ich will den Stall sauber machen, aber dein Pferd will sich von mir nicht hinausführen lassen.“
Annit nickte nur, nahm den Zügel und brachte das Pferd problemlos aus dem Stall. Draußen tätschelte sie eine Weile seinen Hals und liebkoste es. Dann schwang sie sich auf seinen Rücken und jagte mit ihm über die ausgedörrten Felder. Irgendwo hielt sie an, stieg ab und ließ sich mit ausgebreiteten Armen auf die Wiese fallen.
Sie blickte in den Himmel und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. „Was geht hier vor? Wer ist in Gefahr? Was hat der Traum zu bedeuten, Silberstern?“, murmelte sie. „Irgendwo droht Gefahr, so viel ist klar! Aber wem? Und warum?“
Annit richtete sich auf. Nein!, dachte sie dann. Ich will es gar nicht wissen. Und ich werde auch nicht warten, bis irgendwas passiert. Bis vielleicht Silberstern was passiert. Sie sprang auf und saß wieder auf. Vielleicht ist es besser, zu gehen.
Vorsichtige Annäherung
Am Abend, als sie alle schweigend beim Abendessen in dem kleinen Zimmer saßen, verkündete
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