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Silbertod

Silbertod

Titel: Silbertod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F E Higgins
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Schicksal eines geliebten Menschen erfahren, der ebenfalls schon aus dem Leben geschieden ist. Vielleicht habt Ihr aber auch eine Frage, die Euch selbst betrifft. Gleichgültig, worum es sich handeln mag, Madame de Bona wird sich bemühen, Antwort zu geben.«
    Die Leute flüsterten miteinander, zu ängstlich, um sich direkt an diesen unheimlichen Knochenmagier und seine Skelettgefährtin zu wenden.
    »Ihr werdet doch nicht schüchtern sein?«, fragte er fast scherzhaft. »Bitte denkt an Madame de Bonas Gefühle. Als sie noch lebte, war sie eine der weltbesten Wahrsagerinnen. Verwehrt ihr nicht die Freude, ihr Talent auch von jenseits des Grabes zu beweisen.«
    Seine Worte schienen zu wirken, denn nun schlurfte ein junger Mann nach vorn. Seine Wangen waren gerötet. »Stimmt es, dass sie … dass diese Madame de Bona, dass sie die Zukunft vorhersagen kann?«
    »Ein wiederbelebter Toter ist tatsächlich mit großem Weitblick gesegnet«, erwiderte Mr Pantagus. »Habt Ihr eine Frage an sie?«
    »Sagt mir, Madame de Bona«, begann der junge Mann nervös, »werde ich mich je verlieben?«
    Die Stille schien jetzt so dicht, dass man sie mit einem Messer hätte zerschneiden können. Madame de Bona neigte den Kopf zur Seite, und man konnte sich gut vorstellen, dass sie die Augen himmelwärts gerichtet und nachgedacht hätte, wenn ihre Augenhöhlen nicht leer gewesen wären. Sie drehte sich dem jungen Mann zu und antwortete mit einer Stimme, die nur aus der Unterwelt kommen konnte: »Ja.«
    Dieses eine Wort erregte die Menge zutiefst. Ich kann nicht abstreiten, dass auch ich sehr bewegt war. Bevor der junge Mann Gelegenheit zu einer Reaktion fand (ich hätte gefragt: Wann?), wurde er von einem dicken, kräftigen Mann unsanft zurückgezogen. Der Dicke ging schnurstracks zum Podium und streckte die Hand aus.
    »Madame …«, begann er atemlos.
    Aber da runzelte Mr Pantagus die Stirn. »Madame de Bona möchte nicht angefasst werden«, unterbrach er ihn streng.
    Der Mann wurde rot und wich unter vielen Entschuldigungen zurück.
    »Sagt, Madame, warum wollen meine Hühner keine Eier legen?«
    Madame de Bona richtete ihre leeren Augenhöhlen auf den Mann und erwiderte verächtlich: »Fragen in Bezug auf Hühner beantworte ich nicht.«
    Der Mann warf Mr Pantagus einen Hilfe suchenden Blick zu, aber der zuckte nur bedauernd mit den Schultern.
    Danach folgte eine Flut von Fragen zu den verschiedensten Problemen, meistens ging es dabei um die alltäglichen Sorgen, mit denen Menschen in einer Stadt wie Urbs Umida fertig werden mussten. Es gab Gelächter über Madame de Bonas Antworten, es gab erstaunte Ausrufe, Nicken und Kopfschütteln. Am Ende war die Stimmung im Saal so ausgelassen wie unten im Schankraum. Schließlich hob Mr Pantagus die Hand, der Lärm verstummte und wir lauschten gebannt jedem seiner Worte.
    »Nur noch eine Frage jetzt«, sagte er. »Die Zeit geht zu Ende. Madame de Bona hat nicht mehr viel Kraft.«
    Ich fand, dass eher Mr Pantagus erschöpft wirkte. Seine Stimme, anfangs tief und volltönend, klang nun angestrengt. Und da hörte ich mich auf einmal sagen: »Ich möchte etwas fragen.«
    Alle Blicke hefteten sich auf mich und blieben eine Weile an mir hängen. Die Leute fanden wohl etwas Befremdliches in meinem Gesicht, wussten aber nicht genau, was.
    »Madame de Bona«, sagte ich, »wo ist mein Vater? Und warum ist er verschwunden?«
    »Das sind zwei Fragen«, brummte der Mann mit den legeunwilligen Hühnern.
    Madame de Bona ließ sich Zeit für ihre Antwort. Schon fingen die Leute an, ungeduldig von einem Fuß auf den anderen zu treten. »Der Bengel von Carpue«, hörte ich jemanden von hinten sagen und spürte, wie meine Wangen brennend rot wurden. Aber ich behielt Madame de Bona fest im Blick.
    »Kind«, kam sanft die Antwort, »dein Vater ist am Leben und nicht einmal so weit entfernt, wie du glaubst. Suche weiter nach ihm und du wirst die Wahrheit finden.«
    Ein Schauder überlief mich. Ich wollte, dass die Leute aufhörten zu tuscheln und mich anzustarren. Schließlich ergriff Mr Pantagus das Wort.
    »Meine Damen und Herren«, sagte er schnell, »für heute Abend ist es genug. Ich bedanke mich herzlich für Euer Kommen und wir hoffen, Ihr erzählt allen Euren Freunden von uns.«
    Wie auf ein Stichwort sank das Skelett langsam zurück, wobei seine Knochen ein letztes Mal klapperten, als der Schädel das Holz berührte. Die Zuschauer jubelten und klatschten. Dann wurde die Tür geöffnet und alle schoben sich

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