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Silbertod

Silbertod

Titel: Silbertod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F E Higgins
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aus dem Wohlgeruch des Raumes in die weniger wohlriechende Schankstube.
    Ich sah, wie Mr Pantagus und Juno den Sarg eilig wieder zusammenbauten. Dann wurde mir die Sicht versperrt von Leuten, die auf das Podium traten und den Sarg kritisch musterten. Aus Neugier ging ich auch nach vorn, aber von dem Knochenmagier und dem Mädchen war keine Spur mehr zu sehen. Ich linste hinter den Wandschirm und sah dort eine Tür. Probehalber drückte ich auf die Klinke, die Tür ließ sich öffnen. Dahinter war eine Treppe. Ich ging hinunter und kam durch eine andere Tür auf eine kleine Gasse, die seitlich am »Flinken Finger« vorbeiführte. Nun hatte ich den Foedus zu meiner Linken und die Straße über die Brücke zu meiner Rechten.
    Die Gasse war leer. In der frischen, kalten Luft dachte ich nach über das, was ich gesehen hatte, und auch über die Antwort, die ich bekommen hatte. Ich spürte wieder einen Funken Hoffnung in mir. Vielleicht war mein Vater ja doch noch in der Stadt. Aber mit der Hoffnung kam die Angst. Falls ich ihn tatsächlich wiedersähe, würde ich die Wahrheit erfahren. Aber wollte ich das wirklich?

Kapitel 14

    Eine zufällige Begegnung
    D
raußen nahm Pin seine Mütze aus der Tasche, zog sie weit über die Ohren und stellte den Mantelkragen so auf, dass er bis an den Mützenrand reichte. Unglücklicherweise war ein Loch in der Mütze, sodass sein Hinterkopf trotz aller Bemühungen zum Teil unbedeckt blieb. Die Kälte umschloss seinen Schädel wie ein Schraubstock. Die Wärme des Biers und der Wirtschaft waren schnell verflogen.
    Draußen übernachten bei dieser Kälte, das geht nicht, dachte Pin. Ich wäre tot, bevor der Morgen da ist.
    Er konnte sich an keinen derart kalten Winter erinnern. Sogar der Foedus schien noch träger zu fließen als sonst. Pin sagte sich, dass er immerzu in Bewegung bleiben müsse. Er machte sich auf den Weg, ohne zu wissen, wohin, stolperte aber sofort über etwas Hartes. Eine Kartoffel. Vielleicht ist sie warm, dachte er. Diese Hoffnung war gar nicht so abwegig, wie es sich wahrscheinlich anhört. Viele Leute hatten heiße Kartoffeln in den Taschen, einmal, um sich daran zu wärmen, und zum anderen natürlich, um sie letztendlich zu essen. Leider war diese Kartoffel auf der Straße nicht gekocht. Es hingen noch Erdbrocken dran. Außerdem hatte sie eine höchst eigenartige Form: unmäßig dick an dem einen Ende, spitz zulaufend am anderen. Wäre nicht die dunkle Schale gewesen, hätte Pin sie womöglich für eine Karotte gehalten.
    »Das ist meine, wenn du nichts dagegen hast.«
    Pin blickte in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war, sah aber niemanden.
    »Wie bitte?«, sagte er. Da spürte er einen Stupser am Hinterteil, drehte sich um und bemerkte einen kleinen, besser gesagt sehr kleinen, kräftigen Mann, der zu ihm aufsah.
    »Oh«, sagte Pin, dem so schnell nichts anderes einfiel, und gab dem Mann die Kartoffel.
    Der nahm sie und schob sie in seine Tasche. »Vielen Dank«, sagte er, dann streckte er die rechte Hand aus – in der linken hatte er eine Pfeife –, griff fest nach Pins Hand und stellte sich vor. Seine Finger fühlten sich rau und schmutzig an.
    »Beag Hickory«, sagte er freundlich und sah Pin ins Gesicht, was ihm nur mit weit zurückgebeugtem Kopf möglich war. »Freut mich, deine Bekanntschaft zu machen.«
    »Bi-yag«, wiederholte Pin. »Wie schreibt man denn das?«
    »B-E-A-G. Es bedeutet ›klein‹.«
    Pin lachte, doch als er Beags hochgezogene Augenbrauen sah, verstummte er.
    »Passt gut«, sagte Pin. Er hatte in Beags Stimme einen ziemlich starken Akzent mit rollendem R gehört; ganz sicher war er nicht hier in der Stadt geboren. »Ihr seid doch …«
    »Ein Zwerg«, ergänzte Beag. »Ich bin ein Zwerg, ja, aberschließlich haben wir alle unser Päckchen im Leben zu tragen, nicht wahr? Bei manchen ist es allerdings leichter als bei andern.« Er sah Pin an und wartete geduldig.
    »Oh«, sagte Pin, der plötzlich merkte, was der Fremde wollte. »Ich heiße Pin.«
    »Nur Pin?«
    »Pin Carpue«, sagte er, ohne nachzudenken, dann runzelte er die Stirn, aber Beag sagte nichts. Vielleicht wusste er nichts von der Schande, die über die Familie Carpue gekommen war.
    »Pin ist eine Abkürzung von Crispin.«
    »Crispin, ja?« Beag, der über dem Namen anscheinend ins Grübeln kam, musterte Pin von Kopf bis Fuß. »Interessant«, war alles, was er sagte. Und dann, während er in Richtung Flinker Finger nickte: »Und? Warst du da drin?«
    »Ja«,

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