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Silence

Silence

Titel: Silence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Savannah Davis
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mit Greta. Ich half ihr bei der Wäsche, gemeinsam putzten wir die Bäder, kochten essen und vermieden, den gestrigen Tag zu erwähnen.
    Greta erzählte mir von Deutschland. Sie war in Bayern aufgewachsen, ganz in der Nähe von Schloss Neuschwanstein – in Füssen.
    »Eine wunderbare alte Stadt, die noch heute den Flair vergangener Zeiten verströmt«, sagte sie und ihr Gesicht war verträumt in die Ferne gerichtet.
    Ich kannte Füssen. Nicht weil ich irgendwann einmal dort gewesen war, sondern weil in Füssen das sogenannte Partnerinternat der Silence High stand. Das Internat, auf das jetzt auch Kirsty ging.
    Greta erzählte von Ludwig II. und seinem mysteriösen Tod. Und sie schwärmte von den Bergen; schneebedeckten Gipfeln, die hoch in den Himmel ragten, grünem Wasser und unendlichen Wäldern. Sie vergaß nicht zu erwähnen, dass die Zeiten, da die Bayern nur in ihren Trachten herumliefen, schon lange vorbei waren. Der Gedanke verstörte mich, denn wenn ich etwas mit dem Freistaat in Verbindung brachte, dann waren das die Lederhosen, Sauerkraut und beides in Kombination auf dem Oktoberfest.
    Als krönenden Abschluss unseres Exkurses nach Bayern kochte Greta Spätzle. Sie nannte das ganze Kässpatzen, oder so ähnlich. Meiner Meinung nach, eine Art Teignudeln mit einer Menge Käse und Zwiebeln. Ich aß zwei Teller. Soviel zu meiner Diät.
    Für mich war das einer der schönsten Tage, seit Mariana uns verlassen hatte. Ein wenig hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich drauf und dran war, Mariana zu ersetzen. Aber seit Langem fühlte ich mich in diesem Haus mal wieder daheim.

8. Kapitel

    An diesem Montag gab es zwei Dinge, die es schafften, mich so weit von den Gedanken meiner Klassenkameraden abzulenken, dass meine sowieso schon angeknackste Seele vor weiterem Schaden verschont blieb; die Bilder einer Michelle in Giovannis Armen, die immer wieder vor mir aufflackerten, wenn ich einem der beiden begegnete, und ein Ereignis während der ersten Stunde, welches mir für den Rest des Tages zu schaffen machte.
    Den Klassenraum von Mrs. Walsh betrat ich erst mit der Lehrerin gemeinsam, um in der freien Zeit davor ein Gespräch mit Giovanni vermeiden zu können. Am Tisch der Italiener schlich ich mit gesenktem Blick vorbei. Giovanni zog hörbar die Luft ein, als wollte er dazu ansetzen, etwas zu sagen, entschied sich aber zu schweigen, als Mrs. Walsh mit dem Unterricht begann.
    Wir schauten uns einen Dokumentarfilm über die Architektur der europäischen Renaissance an. Nach wenigen Minuten driftete ich ab und ertappte mich dabei, wie ich Giovannis Hinterkopf anstarrte. Ich bewunderte, wie er dasaß, sein Kopf – sein ganzer Körper – nicht einmal leicht wankte. Völlig regungslos, wie in Stein gemeißelt. Meine Augen wanderten zu Ermano, der genauso starr auf seinem Stuhl saß, so als atmeten beide nicht einmal. Als wären sie in eine Art Stasis verfallen, während sie so taten, als würden sie dem Geschehen im TV folgen.
    Ich konzentrierte mich wieder auf Giovannis Hinterkopf und tastete mich langsam in seinen Geist vor. Ich stellte mir vor, auf eine Wand zu stoßen, ähnlich der Ziegelwand, die ich selber immer entstehen ließ, um dem ständigen Summen der Stimmen in meinem Kopf zu entgehen. Warum ich versuchte, in Giovannis Gedanken einzudringen, wusste ich nicht. Vielleicht war mir langweilig. Vielleicht störte es mich einfach, dass ich gerade seine Gedanken nicht lesen konnte. Aber ich tat es einfach.
    Ich malte mir aus, wie mein Geist zu einer Spitzhacke wurde und ein Loch in Giovannis Mauer schlug. Nach einigen Versuchen gelang es mir, sie zu durchbrechen und ich schlüpfte durch das kleine Loch, das entstanden war, in eine undurchdringliche Finsternis. Langsam wich die Finsternis einem immer heller werdenden Licht, dessen Quelle über mir zu schweben schien wie die Sonne. Unter meinen Füßen begann dunkelgrünes Gras zu wachsen. Rings um mich herum tauchten Bäume auf. Blumen wuchsen auf der Wiese. Im Bruchteil von Sekunden reckten sie ihre Köpfe der Sonne entgegen und öffneten ihre blutr oten Blütenknospen. In meinem Kopf entstand ein Bild von mir in einem Meer aus Rosenblüten.
    Ich stand in der Mitte eines Feldes. Rings um mich herum wuchsen rote Rosen. Obwohl ich wusste, dass Rosen Sträucher oder Bäume waren, wuchsen diese hier wie Wiesenblumen. Ihr Duft umgab mich süß und betörend. Es war still, kein Geräusch drang an meine Ohren, kein Wind wehte. Es war, als stände ich in einem

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