Silent Control | Thriller
ihm hoch. Es war völlig abwegig, was der Mann vermutete.
»Norris hat mich nicht ausgebildet, er war nur mein Professor. Das habe ich schon Ihrer Agentin erklärt. Ich wollte nur wissen …«
»Vergessen Sie’s«, unterbrach ihn Clark so aggressiv, dass Torben erschrocken verstummte. Der CIA-Direktor richtete sich zu seiner vollen Größe auf und stemmte die Hände auf den Tisch. »Jetzt hören Sie mal gut zu, Sie kleiner Widerstandskämpfer. Wir werden die terroristische Bedrohung im Netz nicht länger hinnehmen!«
Schon wieder die alten Sprüche, dachte Torben. Dieses markige Soldatengerede über Krieg und Bedrohung, das zur alten, zur analogen Ära gehörte, war nicht sein Fight, er kämpfte in der virtuellen Welt.
Er beugte sich weit vor und sah Clark fest in die Augen.
»Lustiges Konzept. Sie meinen also, Anonymous könnten mit Informationen Terrorismus betreiben? Wie denn, bitteschön? Die meisten Menschen sind doch zufrieden mit der Entwicklung zu mehr Transparenz. Sie erfahren durch die Aktivisten, was ihre Regierungen anstellen. Angst müssen nur Leute haben, die dunkle Geheimnisse weiter verbergen wollen.«
Clark hatte mit wachsender Entrüstung zugehört.
»Nein, zufrieden sind nur diese Verlierer, die ständig ihr eigenes Versagen auf all jene projizieren, die Verantwortung tragen. Schauen Sie sich in diesem Restaurant um. Glauben Sie denn im Ernst, dass jedem solch ein Luxus zusteht? Nein, nur wer bereit ist, etwas zu leisten, hat einen Anspruch darauf, auf der Butterseite zu leben. Das ist ein Naturgesetz. Sie können es auch Sozialdarwinismus nennen, wenn Sie es etwas feiner ausdrücken möchten. Jetzt müssen Sie sich entscheiden, wohin Sie gehören wollen – auf die Seite der Winner oder auf die Seite der Loser.«
Torben konnte nicht fassen, wie simpel das Weltbild eines der mächtigsten Männer der Vereinigten Staaten war. »Wer spricht denn hier von Luxus? Für die meisten Menschen geht es ums nackte Überleben! Schon mal was von Globalisierung gehört? Von multinationalen Konzernen, Billiglohnländern und Massenentlassungen? Anonymous und Occupy glauben an einen Wandel, der den Kapitalismus in seine Schranken weist!«
June schwieg. Sie spielte mit ihrer Goldkette, drehte sie um die Finger und ließ sie wieder abrollen. Zum ersten Mal meinte Torben, ein gewisses Unbehagen bei ihr auszumachen, so, als würde sie ihre Rolle überdenken.
»Nun, meine Geduld und meine Zeit sind begrenzt«, erwiderte Clark gereizt. »Nur so viel: Die Eliten, die Sie so sehr hassen, garantieren einen gewissen Wohlstand für alle. Hören Sie auf, sich als Retter aufzuspielen. Übernehmen Sie Verantwortung, engagieren Sie sich bei uns! Dann können Sie wirklich etwas bewegen.«
Es war sinnlos. Clark schien es tatsächlich nicht zu kümmern, wie ungerecht die Verteilung der Lasten und Gewinne weltweit war. Sein Job war die Sicherheit seines Landes. Punkt. Weiter konnte und wollte er nicht über den Tellerrand schauen.
Der Kellner erschien, doch Clark schickte ihn weg. Ihm schien nicht der Zeitpunkt gekommen, Torben zu einem Essen einzuladen.
»Nehmen wir mal an, eine Regierung plant eine humanitäre Intervention, um Menschen aus einer Diktatur zu befreien«, dozierte er, während er die Eiswürfel in seinem Whiskyglas kreisen ließ. »Dann veröffentlichen Ihre selbsternannten Helden die Daten für den Angriff während des Einsatzes im Netz. Und das nur, weil eine Minderheit eine demokratische Ent scheidung nicht gutheißt. Abgesehen von den Folgen für die Truppen – ist das noch Demokratie? Wollen Sie das verantworten? Würden Sie stillschweigend zusehen?«
Mist, da hat er verdammt noch mal recht, dachte Torben. Verlegen starrte er an die Decke.
Für Clark schien das Gespräch beendet zu sein. Unauffällig gab er den beiden Agenten am Nebentisch ein Signal. Einer von ihnen nahm sofort sein Handy und ging hinaus.
Torben musste dennoch etwas loswerden. »Wenn zum Beispiel herauskommt, dass der Westen Überwachungssoftware in Unterdrückerstaaten liefert, ist das doch eine wichtige Information. Es darf doch nicht sein, dass wir Diktatoren Instrumente zur totalitären Überwachung verkaufen!«
June Madlow trat unter dem Tisch auf seinen Fuß. Hatte er einen Fehler gemacht? War er zu weit gegangen?
»Schluss jetzt!«, brüllte Clark.
Der Agent kam wieder herein und beugte sich zu seinem Chef hinunter, während er ihm leise etwas zuflüsterte. Abrupt stand der CIA-Direktor auf und drückte dem
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