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Silentium

Silentium

Titel: Silentium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Normale und gegen das Abnormale.
    Der René ist neben ihnen stehengeblieben, und aus dem Augenwinkel hat der Brenner gesehen, daß der Dr. Prader mit dem Präfekt Fitz jetzt zum René herübergekommen ist. Das ist ja immer das Furchtbare auf solchen Partys, daß die Gespräche nebenan immer viel interessanter wären als das, was du gerade mit deinem eigenen Gesprächspartner zu bereden hast. Weil der René hat den Dr. Prader und den Präfekt Fitz jetzt ohne Umschweife gefragt, warum es im Marianum eigentlich so viel philippinisches Personal gibt.
    Der Brenner hat sich mit dem Festspielvize über Rostbraten, gefüllte Kalbsbrust und Krautwickler unterhalten, aber mit den Ohren war er die ganze Zeit beim Präfekt Fitz, der die geschichtlichen Zusammenhänge erklärt hat. So was macht einen ja fürchterlich nervös, bestimmt zehn Minuten hat der Brenner sich regelrecht zweigeteilt. Während der Festspielvize mit einem feisten Grinsen seine Lieblingsspeisen aufgezählt hat, haben der Präfekt Fitz und der Dr. Prader dem René erzählt, daß die Philippinen eines der katholischsten Länder der Welt sind.
    Weil Philippinen missioniert bis in den letzten Winkel, ja was glaubst du. Das ist wie mit dem Zigarettenrauchen. Bei uns rauchen die Leute nicht mehr, weil Gesundheitsgründe, und man muß die Vorhänge nicht so oft waschen. Aber andererseits gutes Geschäft mit den Zigaretten, jetzt salomonische Lösung, sollen sie drüben mehr rauchen, wo sie kein Geld für Vorhänge haben.
    Und Rauch und Glaubensdinge ja sehr verwandt, siehe Weihrauch oder bei den Indianern. Den Zigaretten-Managern wäre das ja nie selber eingefallen, wenn sie es nicht von den Kirchenleuten abgeschaut hätten. Bei der Kirche haben sie natürlich das viel bessere Personal, Bildung und alles, und die haben schon Hunderte Jahre vor den Zigarettenleuten gesagt, wißt ihr was, das exportieren wir in die Welt hinaus, das ist lustig, wenn die Asiaten auf den Knien Hühneraugen bekommen, weil große Forschungsfrage, ob die Hühneraugen dann auch schlitzförmig werden.
    «Schlachtplatte», hat der Festspielvize gesagt, «ist für mich überhaupt das Göttlichste.» Und er hat dem Brenner ein Wirtshaus gesagt, Geheimtip, wo die Portionen so groß sind, daß die Schlachtplatte für zwei Personen ausreicht für drei bis vier Personen.
    Und nebenan hat der Präfekt Fitz dem René erklärt, daß es von daher eben die traditionelle Verbindung gibt, ein eigenes kirchliches Personalbüro auf den Philippinen, das für die Mädchen Ausbildungsprogramme organisiert. Sie machen Kurse in Österreich, und nach ein paar Jahren sollen sie wieder zurückkehren und das Wissen weitergeben. Aber viele bleiben auch hier, heiraten oder werden Krankenschwestern oder beides.
    Nach zehn Minuten Geistesspaltung hat der Brenner so Schädelweh gehabt, daß er es aufgegeben hat. Sie haben ja jetzt nebenan auch über ein anderes Thema geredet, er hat nur noch mitgekriegt, wie der Dr. Prader dem Fitz anvertraut hat, daß seine Frau möglicherweise ihre Stelle bei der Agentur Dr. Phil. Guth aufgeben möchte.
    Vor lauter Angst, der Festspielvize könnte seine Abwesenheit bemerkt haben, hat der Brenner gleich eine etwas zu direkte Frage gestellt: «Sind Sie eigentlich zufrieden mit dem Untersuchungsergebnis der Kripo?»
    Der Vize hat das Gesicht verzogen. «Die Kripo ist an einem Tag dreimal bei mir gewesen», hat er gejammert, daß seine Backen vibriert haben. «Ich weiß nicht, haben sie es sich beim ersten Mal nicht gemerkt, was ich ihnen gesagt habe? Oder ist es ein Hierarchieproblem? Das ist ja in den staatlichen Betrieben das Furchtbare. Wenn ich so wirtschaften würde, wäre ich schon längst pleite.»
    Es war aber nicht nur das Sprechen, das seine Backen so beunruhigt hat. So richtig in Schwung gekommen sind sie durch das Grüßen, weil ununterbrochen links und rechts: «Grüß Gott, guten Abend, habe die Ehre. Bei denen kommt zuerst der Chef», hat er zwischendurch erzählt, «und befragt dich, dann kommt der Oberchef und fragt genau dasselbe, dann kommt der Oberoberchef und erklärt dir, daß die ersten beiden nur Lehrbuben waren, und alles noch einmal von vorn. Das ist wie bei diesen modernen Bildern, wo die Leute immer aufwärts gehen, obwohl sie gleichzeitig im Kreis gehen. Kennen Sie die? Surreal! Vielleicht haben sie mich ja verdächtigt, daß ich meinen Schwiegersohn eigenhändig –»
    «Das glaub ich nicht», hat der Brenner in die Pause hinein gesagt, die entstanden ist,

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