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Silentium

Silentium

Titel: Silentium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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weil der Präsident doch noch einmal einen Versuch gemacht und ein bißchen was von seinem Röllchen abgelutscht hat. Womöglich, daß er sich gerade jetzt an sein Fisch-Scheibchen erinnert hat, wie er seinen in Scheibchen geschnittenen Schwiegersohn erwähnt hat.
    «Mir wäre es aber lieber.»
    «Lieber, daß man Sie verdächtigt als Ihre Tochter?»
    Oha! Ist schon wieder ein Röllchen auf dem Boden gepickt!
    «Schauen Sie, es will einfach nicht in meinen Mund hinein. Der Fisch weiß es besser als ich», hat der Festspielvize geschnauft.
    Er hat sich ächzend mit einer Serviette nach dem Röllchen gebückt, damit niemand hineinsteigt, und wie sein violetter Schädel eine halbe Stunde später wieder heraufgekommen ist, hat er schnaufend gesagt: «Aber wissen Sie was? Im ersten Stock oben haben sie ein Gulasch vorbereitet. Das wärmen sie um Mitternacht auf, weil Gulasch gehört ja zu den Speisen, die durch das Aufwärmen besser werden. Das ist jetzt bestimmt schon fertig, damit es wieder abkühlen kann. Und wir schleichen uns jetzt hinauf und nehmen uns schon eine kleine Portion im voraus.»
    Aber wie sie dann oben waren, keine Rede von einem Gulasch. «Das mit meiner Tochter hab ich gar nicht gern gehört. Ich weiß, wer du bist, Brenner. Und ich gebe dir einen guten Rat. Laß meine Tochter aus dem Spiel. Wenn ich sage, es wäre mir lieber, daß die Polizisten mich verdächtigen, dann meine ich damit, daß es dann wenigstens einen Sinn hätte, wenn sie dreimal kommen und dasselbe fragen. Das wird nämlich alles von meinen Steuern bezahlt. Und mit meiner Tochter hat das überhaupt nichts zu tun.»
    Die Frechheit, daß ihn das Riesenbaby einfach geduzt hat, hat eine eigenartige Wirkung auf den Brenner gehabt. Auf einmal hat ihm der Ermordete leid getan, quasi: Mit so einem selbstherrlichen Schwiegervater bist du auch gestraft. Man möchte zwar meinen, für Mitleid hätte es vorher auch schon Grund genug gegeben, wenn ein Mensch in dreiundzwanzig Teile geschnitten worden ist. Aber der Brenner hat den Ermordeten ja nicht gekannt, und wenn man einen Menschen erst in der Puzzlestein-Variante kennenlernt, ist es oft schwer, daß man ihn sich überhaupt noch als Lebenden vorstellen kann. Aber jetzt auf einmal Riesenmitleid, und er hat sich richtig für den Gottlieb gefreut, daß ihm zumindest eine Sache im Leben gelungen ist, sprich: Alles für den Hugo.
    «Ich weiß, daß du es nicht so gemeint hast», ist der Präsident auf einmal versöhnlich geworden, weil dickliche Sadisten immer sehr feinfühlig. «Aber ich möchte nicht, daß dieser Mann meiner Tochter auch noch aus dem Grab heraus das Leben versaut.»
    Er hat eine Zigarrenschachtel aus einer Schublade herausgeholt und dem Brenner eine angeboten, aber der hat so getan, als würde er die Zigarren vor seinen Augen nicht einmal sehen.
    «Was ich damit sagen will», hat der Präsident sich weiter eingebremst, «er fehlt mir nicht. Mit so einem Mann kann eine Frau nur unglücklich werden. Ist doch nicht so unverständlich, daß ich mir als Vater wünsche, daß meine Tochter glücklich wird.»
    Meine Thochther, hat der Vize gesagt und überhaupt jedes «t» so hochnäsig behaucht wie diese Schnösel, die man am liebsten auf der Sthelle thothschlagen möchte. Da hätten sich drei Hasenscharten-Patienten ein schönes «t» herausschneiden können, so hat es der Vize auf der Zunge explodieren lassen. Für den Brenner hat es dadurch ein bißchen bayrisch geklungen, wo sie gern ein bißchen ein Thamtham um ihren Thialekth machen. Bayern war nur drei Kilometer von Salzburg entfernt, aber trotzdem gleich hinter dem Grenzbalken schon ein bißchen ein Hauch auf so manchem «t». Jetzt haben die besseren Salzburger gern ein bayrisches «t» nachgemacht, quasi international.
    «Daß Ihre Tochter keine Kinder hat, ist an ihm gelegen?»
    Der Vize hat nur verächtlich geschnauft.
    «Aber grundsätzlich hat er sich schon für Frauen interessiert?» hat der Brenner vorsichtig gefragt. «Im Internat soll er sich in das Küchenmädchen verliebt haben.»
    Manche Leute glauben, Zigarren sind nicht so ungesund wie Zigaretten, weil man nicht inhaliert. Und abgesehen von Zungenkrebs, Rachenkrebs und Gaumenkrebs stimmt das auch. Aber der Präsident jetzt einen Hustenanfall, daß es den Brenner nicht gewundert hätte, wenn ihm seine glasigen blauen Augen aus dem tomatenroten Gesicht herausgehüpft und auf den Boden geklatscht wären wie vorher das Sushi. Mit dieser Verschwendung von Hustenluft

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