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Silentium

Silentium

Titel: Silentium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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daß Sie mit schuld daran sind, daß der schwer vorbestrafte Renoldner die Mary Ogusake ermordet hat.» (Kripo-Stimme)
    Renoldner. Da hat der Brenner jetzt vor lauter Langeweile im Krankenzimmer kombiniert, daß «René» ein Spitzname für Renoldner sein muß. Aber Spitzname im Kripo-Archiv natürlich wichtiger als echter Name, jetzt hat ihnen der Hinweis vom Brenner trotzdem genügt. Die Kripo hätte eben gern noch eine richtige Aussage vom Brenner gehabt, kann man auch verstehen, weil da hält so ein Schweiger natürlich die ganze Arbeit auf.
    Der Beamte muß ziemlich eindringlich auf ihn eingeredet haben, weil jetzt war es im Kopf vom Brenner wie eingraviert: «Du brauchst dich nicht schlafend stellen, Brenner! Wir wissen ja sowieso alles. Wir haben die blutige Jacke vom Renoldner gefunden, seine Fingerabdrücke. Den Nachbarn in Petting ist er auch aufgefallen. Gar kein Zweifel möglich. Wir wollen nur von dir wissen, wo der Bursche steckt.»
    Gar kein Zweifel möglich. Da hat der Brenner jetzt schon ein bißchen am Verstand des Kripo-Beamten zweifeln müssen. Vom Tschick-Jack hat der auch noch nie was gehört gehabt, weil unfreundlich bis dort hinaus.
    Der Regens dafür um so freundlicher, der hat sich sogar für die unfreundlichen Kriminalbeamten entschuldigt: «Sie wollen eben unbedingt erfahren, wo der Verdächtige steckt. Ich muß sagen, mir fehlt hier jeder Jagdinstinkt. Mich würde etwas anderes viel mehr interessieren. Wie Sie das mit der Dr. Ogusake herausgefunden haben.»
    Weil der Regens muß geglaubt haben, er kann den Brenner mit interessanten Fragen aus seiner Erstarrung herauslocken. Aber nichts da, der Brenner hat die Fragen ja nicht einmal gehört. Nur jetzt im nachhinein hat er sie aus seinem Kopf hervorgekramt, damit er nicht an der Altersheim-Atmosphäre von diesem Internatskrankenzimmer verrecken muß. Und da hat es ihn wirklich sehr interessiert, was der Herr Regens ihm vor drei Tagen erzählt hat:
    «Daß Dr. Ogusake nicht ihr Titel war, sondern der Doktortitel ihres verstorbenen Mannes, das haben zwar ihre Nachbarn auch gewußt. Aber warum der alte Mann bei der Hochzeit den Familiennamen unseres ehemaligen Küchenmädchens Mary Ogusake angenommen hat, das weiß kaum jemand. Es würde mich wirklich interessieren, wie Sie das herausgefunden haben.»
    Nichts da, der Brenner hat sich von dieser Frage nicht aufwecken lassen. Aber im nachhinein hat er zugeben müssen, daß es eine interessante Frage war. Und das ist wieder einmal ein gutes Beispiel für das, was ich immer sage. Oft erfährst du von einer Frage hundertmal mehr als von einer Antwort. Weil der Brenner hat das ja gar nicht gewußt, was ihm der Regens da erzählt hat. Der René hat es gewußt, aber er hat es ihm am Telefon ja nicht erzählen wollen.
    «Es ist ja auch schon fünfzehn Jahre her, seit der Dr. Guth unser Küchenmädchen geheiratet hat. Dr.
Phil.
Guth, muß ich sagen. Darauf legte er immer großen Wert, da es ihn von seinem Vater unterschieden hat, dem berühmten Primarius Dr. Guth. Die Probleme mit dem eigenen Namen haben aber offenbar zu diesem Menschen gehört. Zuerst versuchte er, sich durch das Phil eine Identität zu geben. Und dann gab er seinen Namen völlig auf.»
    Ich muß sagen, kein großes Rätsel, daß ein Mensch mit so einem Namen Probleme hat. Weil wenn du so heißt, kannst du darauf wetten, daß sie dir am Schulhof «Böse» oder sonst was nachrufen. Aber das war es nicht, worauf der Regens hinauswollte.
    «Auch wenn diese Geschichte gar nichts mit unserem Auftrag zu tun hat: Aus reiner Neugier wüßte ich wirklich gern, wer Sie darauf gebracht hat. Der Dr. Phil. Guth hat jahrzehntelang vorbildliche Arbeit für unsere Kirchengemeinschaft geleistet. Er hat das Institut gegründet und viele vorbildliche Ehen gestiftet. Aber es war doch nicht seine Privatangelegenheit. Für ein kirchliches Institut gelten strengere Regeln als in der Privatwirtschaft. Es ist einfach unzulässig, daß sich der Leiter eines solchen Instituts in seine eigene Klientin verliebt.»
    Der Brenner hat jetzt etwas gehört. Nicht in seiner Erinnerung, er hat zum ersten Mal seit einer Woche wirklich etwas gehört. Er hat gehört, wie vor seiner Krankenzimmertür draußen die Mutter Oberin herumgegeistert ist. Das war ein Zischeln und ein Murmeln und ein Rascheln, das dem Brenner auf einmal unnatürlich laut vorgekommen ist. Weil wenn du eine Woche lang überhaupt nichts gehört hast, kommt dir das unhörbarste Flüstern laut vor. Das

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