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Silenus: Thriller (German Edition)

Silenus: Thriller (German Edition)

Titel: Silenus: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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erlebte, war so enorm und so schrecklich, dass der bloße Anblick ihn hätte zerstören können.
    Er fühlte sich, als würden sie auf dem Meeresboden stehen, begraben unter Meilen um Meilen kalten Wassers. Nur wenig Sonnenlicht drang herab zu diesem Ort, rieselte durch die salzigen Tiefen, um auf ihre Schultern zu fallen. Vor ihnen war etwas, das aussah wie der Rand eines gewaltigen Festlandsockels, und da, am Boden, klaffte eine Lücke zwischen dem Kontinent, der oben schwebte, und dem Meeresboden. In dieser Lücke waren die Schatten ungemein dunkel, so dunkel, dass Georges Augen sie nicht durchdringen konnten, aber es schien, als würde sich die Lücke ewig hinziehen. Und dennoch konnte er spüren, dass sich dort unten etwas regte, in der Finsternis unter der Welt.
    Der Boden erbebte unter ihnen. Dann herrschte kurz Ruhe, ehe er erneut bebte. George überlegte, ob Felsen von dem Kontinentalschelf herabstürzten, aber als der Boden ein drittes Mal erbebte, wirkte das Beben rhythmisch … und ihm kam der Gedanke, dass es sich bei dem, was er wahrnahm, um Schritte handeln mochte.
    Etwas kam. Er zappelte im Griff der beiden Wölfe, doch die ließen nicht von ihm ab. Er fühlte, wie sich etwas im Hintergrund seines Bewusstseins auflöste, und er fragte sich, ob er nun den Verstand verlor.
    Dann sah er etwas Enormes in der Finsternis. War das ein schuppiger Kiefer? Zwei riesige, spitze Ohren? Das wogende Spiel Tausender Meilen kraftvoller Muskeln … war das ein Fell, das sich über eine mächtige Masse zog, oder waren es Schuppen oder war seine Haut kahl, rissig und ledrig? George konnte es nicht erkennen. Aber er glaubte, er könnte ein Augenpaar im Dunkeln sehen, jedes Auge so groß wie die Welten selbst, rund und schwarz und leer wie die Augen eines Hais. Es waren Augen, die Aufstieg und Untergang unzähliger Zivilisationen ungerührt beobachtet hatten.
    Eine einzelne gewaltige Vorderpranke schob sich aus dem Dunkel und prallte auf den Meeresboden. Sie hatte vier mächtige Zehen mit kohlrabenschwarzen Krallen, groß wie Häuser. Sie war vernarbt und alt und hatte einst ein Fell irgendeiner Art besessen, doch die zahllosen Jahre hatten es abgetragen und nur graue Hautflächen zurückgelassen. Die Vorderpranke dehnte und spannte sich, grub tiefe Löcher in den Erdboden, und George erkannte, dass sie versuchte, sich voranzuziehen und dabei einen unvorstellbar gewaltigen Körper zu stemmen, der sich zweifellos unter der ganzen Welt ausbreiten musste. Ganze Nationen mussten auf dem riesigen Rückgrat schwanken, dachte George, und das Ding musste verzweifelt danach drängen, sie abzuwerfen …
    Nun wurde ihm bewusst, dass es dabei war, unter der Welt hervorzukriechen. Es würde herauskrabbeln und ihn ansehen. Der Gedanke erschütterte ihn bis ins Mark.
    George warf sich im Griff der Wölfe hin und her, aber sie wollten ihn einfach nicht loslassen. Jeder Teil seines Körpers begehrte auf. Seine Augen verdrehten sich, er bekam eine Gänsehaut, und sein Haar erzitterte im Wind …
    Moment mal, dachte er. Wind?
    Er sah, dass sich die beiden Wölfe, die ihn festhielten, verwirrt umblickten. In der Dunkelheit unter der Welt öffnete sich ein Kieferpaar, bereit, ein donnerndes Gebrüll auszustoßen. Doch ehe es so weit kam, stürzte ganz in der Nähe etwas Riesiges herab, und der Bann war gebrochen.
    So plötzlich, wie er das Theater verlassen hatte, kehrte er zurück. Die Schatten zogen sich von der Bühne zurück, und diese entsetzliche Vision von dem Ding unter der Welt verschwand mit ihnen. Die beiden Wölfe hielten George immer noch fest, und er war schrecklich nass, aber die Nässe stammte nicht aus ozeanischen Tiefen. Am Himmel wütete ein Sturm, der strömenden Regen in das Theater trieb.
    Die enorme Kraft des Sturms hatte noch mehr von der Decke zum Einsturz gebracht. Das musste das Krachen ausgelöst haben, das er gehört hatte. Der Wind wehte mit solcher Gewalt, dass große Brocken verkohlten Holzes auf sie herabregneten, und die Wölfe ließen von ihm ab, um ihre Köpfe zu schützen.
    »Wo kommt dieser Sturm her?«, schrie der Fette.
    Der ganze Himmel war dunkel. Dann zuckte ein Blitz herab und blendete sie mit seinem grellen Licht. Gleich darauf erschütterte ein rasselndes Krachen den Boden, als der Donner dem Blitz am Himmel folgte. Als sie wieder etwas sehen konnten, erkannten sie, dass die baufällige Mauer des Theaters bebte. Mehrere der obersten Mauerziegel lösten sich, stürzten herab und zertrümmerten

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