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Silenus: Thriller (German Edition)

Silenus: Thriller (German Edition)

Titel: Silenus: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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hatte, und doch verweigerte er George jeglichen Zugang.
    Nein, beschloss George. Er würde es ihm nicht erzählen. Er sagte sich, dass das eine Frage der Verantwortung war. Er konnte nicht zulassen, dass Harry seine Truppe weiter auf diese Art leitete. Zu viel stand auf dem Spiel. Hatte die Dame Harry einmal eingesperrt (ein Gedanke, der ihn frösteln machte, doch seine Überzeugung geriet nicht ins Wanken), würde er den anderen sagen, was sie getan hatten, was sie wirklich getan hatten, und dann …
    Und dann musste die Weise immer noch gesammelt und vorgetragen werden, richtig vorgetragen, aber der Einzige, der das tun konnte, war George selbst, wie er nun erkannte. Außer Harry war er der einzige andere Mensch, der die Erste Weise tragen konnte.
    Das alles ging schon viel zu lange so, dachte er bekümmert. Jemand musste in Ordnung bringen, was falsch gelaufen war. Er würde die Stelle seines Vaters einnehmen. Die Aufgabe, die vor ihm lag, war gewaltig, aber es war eine Aufgabe, die erledigt werden musste. Und vielleicht musste er sie nicht allein bewältigen.
    Es wäre eine großartige Vorstellung, nicht wahr, die Weise der Ewigkeit vorzutragen? Ein größeres Stück gab es nicht. Und George hatte stets den Wunsch verspürt, im Theater den Ton anzugeben. Dennoch empfand er keine Freude bei dem Gedanken, nur Grauen.
    Er legte sich hin und schloss die Augen. Er hatte recht, sagte er sich. Es war gerechtfertigt. Und wenn er es sich auch nicht eingestehen wollte, war doch alles, was er im Dunkeln sah, ein Bild von Colette, die Arme um ihren Oberkörper geschlungen und ein leises Lächeln auf den Lippen, während sie an einen vergangenen Moment mit seinem Vater dachte.

28
     
    DIE KLEINE SCHWARZE INSEL
     
    George schlief unruhig und erwachte lange vor allen anderen. Er zog sich an und ging in die Eingangshalle, um dort auf den Rest der Truppe zu warten. Das Haus der Dame spiegelte seine Stimmung wider: Jeder Raum war groß und verlassen, und nirgends schien es ausreichend Licht zu geben.
    Der Rest der Truppe polterte weit früher, als George es erwartet hatte, die Stufen herab. Silenus folgte den anderen wie ein Schäfer seiner Herde. Er jonglierte mit Hut und Mantel und rief immer wieder: »Es ist nicht von Bedeutung! Vergesst es! Wir halten nicht an, wir müssen in Bewegung bleiben!«
    »Aber wohin sollen wir uns bewegen? Ich dachte, wir wären im Grunde schon mehr oder weniger an einem der Orte!«, sagte Colette. Auch sie war nur halb bekleidet. Offenbar hatte Silenus sie alle lange, bevor sie damit gerechnet hatten, aus den Betten gescheucht.
    »Es gibt zwei Stücke der Weise, auf die wir ein Auge geworfen haben«, sagte Silenus. »Bei einem werden wir abgesetzt, und dann müssen wir laufen, als wäre der Teufel hinter uns her, um das andere zu holen. Wir müssen diese Atempause nutzen, so gut wir können.« Als er George sah, unterbrach er sich. »Oh, da bist du. Ich dachte schon, ich müsste dich erst suchen.« Er schien erfreut zu sein, dass George bereits gepackt hatte und reisebereit war. »Tja, wenigstens einer ist heute anständig bei der Sache. Danke, mein Junge.«
    George nickte nur. Silenus legte den Arm um ihn und brüllte: »Und jetzt schreitet lebhaft aus! Die Dame hat uns bereits den Weg bereitet, aber das ist kein Grund zu bummeln.«
    Als sie aus der Vordertür eilten, schaute sich George zu Franny um. Wie stets war sie bis zur Nase in ihre eintönigen Mäntel und die ausgefransten Schals gewickelt. Alles, was von ihr zu sehen war, waren ihre Augen. Doch statt benebelt zu sein, wirkten sie außerordentlich klar und schienen von einem schmerzlichen Glanz erfüllt zu sein, den George nicht einordnen konnte.
    Die Dame wartete mit ihrem Gefolge am Anfang des Pfades, der in den Wald führte. Statt in Weiß war sie nun in ein tiefes Kirschrot gewandet. Abgerundet wurde ihre Erscheinung von einem roten Schirm. Ihre Maske war jedoch immer noch weiß, und durch den Kontrast, den die Maske zu der roten Gestalt bildete, erinnerte sie George an ein Insekt, dessen Farbe Räuber in die Flucht schlagen sollte.
    »Ah«, sagte die Dame. »Da seid ihr. Wir haben schon gewartet. Wie ich sehe, habt ihr alle in eurem üblichen Rahmen auf eure Bekleidung geachtet.«
    »Der Pfad ist fertig?«, fragte Silenus. »Alles bereit?«
    »Ich habe den Pfad verlegt, ja«, bestätigte die Dame. »Augenblicklich mündet er in ein Gehölz außerhalb eines Ortes, der Lake Logehrin genannt wird, gleich am Ende des zugehörigen Damms.

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