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Silenus: Thriller (German Edition)

Silenus: Thriller (German Edition)

Titel: Silenus: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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erneut um und legte eine Hand auf den Knauf der Tür in dem Felsen.
    Der Rest der Truppe erging sich in staunendem Blinzeln. Dort in dem Felsen war die schwarze Tür, die sie regelmäßig in ihren Hotels zu sehen bekamen. Und wie stets war sie auch hier erschienen, ohne dass irgendjemand es bemerkt hätte.
    »Ich wusste nicht, dass sie hier draußen auftauchen kann«, sagte Colette und sah zu, wie Silenus eintrat.
    Stanley schrieb: SIE GEHT ÜBERALL HIN, WO SIE GEBRAUCHT WIRD. WENN DIE NOT GROSS GENUG IST.
    Silenus kam wieder aus seinem Büro und zerrte den großen, schwarzen Überseekoffer hinter sich her. »Schnell!«, rief er Stanley zu, und Stanley rannte herbei, um ihm zu helfen.
    George, Franny und Colette sahen zu, wie Silenus und Stanley hinaus in das kalte Wasser des Sees wateten und sich das schlammige Ufer der kleinen Insel hinaufschleppten. Sie gingen tief gebückt und waren vor der Umgebung bald kaum noch auszumachen.
    »Da gehen sie hin«, zischte Franny. »Die Feiglinge.«
    »Feiglinge?«, fragte Colette. »Wie meinst du das?«
    »Ich meine, dass sie Feiglinge sind. Alle beide«, sagte sie.
    »Wieso?«
    »Was sollten sie sonst sein?«, antwortete Franny. »Ihr ganzes Leben lang hatten sie das, was ihnen am kostbarsten ist, direkt vor der Nase, und doch können sie sich nicht zugestehen, es zu ergreifen. Kein Mensch darf sich einen Augenblick des Glücks zugestehen, nicht bei all der Finsternis im Hintergrund. Was für törichte Kreaturen sie doch sind.«
    »So habe ich dich noch nie reden gehört«, sagte Colette.
    »Ich nehme an, du wirst bald vieles zu hören bekommen, das du bis dahin noch nie gehört hast«, meinte Franny.
    Plötzlich fühlte George ein Pulsieren in der Luft. Das Raunen zog erneut bebend über den Himmel, und er zitterte ein wenig, und beinahe hätten seine Knie nachgegeben. Nie war er einem neuen Stück der Weise so nahe gewesen, abgesehen von dem einen Mal, als er sie versehentlich selbst aufgenommen hatte. Ihm wurde bewusst, dass er überall Stimmen hörte und in allem Muster erkannte. Die Sterne und die Bäume und die Steine am Boden schienen alle etwas zu verdeutlichen, so sie sich nicht in Schichten sammelten, die alle um die kleine schwarze Insel herumwirbelten.
    »Sie sind ganz dicht dran«, keuchte er. »Ich glaube … ich glaube, sie haben es fast.«
    »Wie schön für sie«, sagte Franny säuerlich. »Ob sie dann jetzt glücklich sind? Ob sie sich jetzt ausruhen werden? Ich glaube nicht.«
    »Was ist los mit dir?«, fragte Colette.
    »Wer bist du, so unverschämt aufzutreten?«, gab Franny zurück. »Weißt du überhaupt, wie lange ich mit ihnen gereist bin? Wie viel ich gesehen habe? Wenn du wüsstest, was ich weiß und was für eine Tortur für mich schon dein bloßer Anblick darstellt, würdest du deine Zunge im Zaum halten.«
    Colette, schockiert ob dieser Herabwürdigung, sah sich zu George um, doch der konnte dem Geschehen keine Aufmerksamkeit schenken: Das Stück der Weise in seinem Inneren spürte die Vereinigung, die nur wenige Meter entfernt stattfand, und es sehnte sich danach, sich anzuschließen. Zum ersten Mal bekam George ein Gefühl dafür, wie viel von der Weise Silenus und Stanley mit sich herumtrugen. Der Impuls, den er von der Insel spürte, die Anziehungskraft, der bloße Sog war so überwältigend, dass er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte.
    Das Wasser kräuselte sich, und alles wurde kalt. Es fühlte sich an, als hätten die Sterne am Himmel innegehalten, als wäre der Wind erstorben. Irgendwo raunten zahllose Stimmen und erklommen eine fantastische und entsetzliche Tonlage, und George war so klein und verloren inmitten all dieser Stimmen wie ein Schilfrohr auf den Wogen einer stürmischen See.
    Dann hörte es auf, so abrupt, wie es begonnen hatte. Ein schrecklicher, erstickter Schrei erklang von der Insel, verstummte aber gleich wieder wie abgeschnitten.
    »Was war das?«, rief Colette. »Geht es ihnen gut?«
    Sogar Franny schwieg, weshalb George annahm, dass sie es auch nicht wusste. »Ich glaube«, sagte sie, »ich werde mich jetzt setzen.« Sie ging davon und setzte sich unter einen Baum, der dicht am Ufer stand.
    Lange Zeit tat sich nichts auf der Insel. Dann sah George eine Bewegung. Erst dachte er, es wäre nur eine Person, doch dann plätscherte etwas, und er sah, dass beide Männer dort waren. Silenus ging voran, eine Hand an dem Überseekoffer, Stanley folgte und hielt das andere Ende. Doch Stanley konnte sich kaum auf den

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