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Silenus: Thriller (German Edition)

Silenus: Thriller (German Edition)

Titel: Silenus: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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Dort wird es jetzt Nacht sein. Wenn deine Schlussfolgerungen korrekt sind – und davon gehe ich aus, schließlich hat meine Mutter die Instrumente bereitgestellt, die sie hervorgebracht haben –, dann ruht dein kleines Fragment der Weise in einer kleinen Senke auf einer winzigen Insel nahe dem Ufer, an dem ihr eintreffen werdet.«
    »Hervorragend«, nickte Silenus. »Dann habe ich Euch nun zu danken, Mylady, für all die Hilfe, die Ihr uns gewährt habt.« Wieder einmal verbeugte er sich. »Ich bin überzeugt, Ihr wisst, dass dies das letzte Mal war, dass ich Euch zur Last gefallen bin.«
    »Davon gehe ich aus, Spieler«, sagte die Dame. »Sollten wir einander noch einmal sehen, wird das vielleicht nicht annähernd so einvernehmlich verlaufen wie dieses Mal.«
    Silenus blickte zu der Dame auf. Wie alle Elfen war sie dank ihrer weißen Maske weitgehend unergründlich. Er verbeugte sich erneut und führte die Truppe den Pfad hinunter.
    George wusste nicht recht, wann der Wald zurückwich. Nie sah er ihn sich lichten, nie bemerkte er eine Veränderung an dem Pfad unter seinen Füßen. Was seine Aufmerksamkeit weckte, war eine Veränderung in der Luft. In dem Wald um die Quelle herum hatte es nach nassem, moderndem Laub gerochen, und alles war still und drückend gewesen, doch als sie nun ausschritten, roch er Kiefern in feuchter Luft. Nach einer Weile sahen sich alle um und erkannten, dass sie sich plötzlich in einer einsamen Schlucht in einem Kiefernwald befanden, doch sie sahen keinen gepflasterten Weg hinter sich, kein dunkles Gehölz, kein Anwesen im Queen-Anne-Stil und keinen Feuerschein.
    »Dem Himmel sei Dank, es ist vorbei«, sagte Silenus. »Diese Leute jagen mir eine Scheißangst ein. Ich kann es nicht leiden, nicht zu wissen, ob sie mich ansehen oder nicht.«
    »Wo sind wir?«, fragte George.
    »Im nördlichen New York, westlich des Champlain-Sees auf der Südseite des Logehrin.« Silenus blickte zum Himmel hinauf. »Also, wo müssen wir jetzt hin?«
    Stanley zog einen kleinen Kompass zurate und deutete voraus.
    »Gut«, sagte Silenus. »Beeilen wir uns. Stanley und ich werden dieses Stück der Weise holen, dann verschwinden wir damit nach Plattsburgh und fahren mit der Eisenbahn zum nächsten Stück. Das dürfte ganz einfach und schnell gehen, nicht wahr?«
    Niemand antwortete. Sie bahnten sich einen Weg durch den Wald. Bald sahen sie den See vor sich, weit und eben funkelte er im Mondschein. Nur im Westen endete er nicht an einem Ufer, sondern an einem ausgedehnten, glatten grauen Bogen. Das war, wie George annahm, der Damm. Allem Anschein nach war dieses Tal einst voller Wasser gewesen, doch durch den Damm war der Fluss in der Tiefe nur mehr ein dünnes Rinnsal. Und dort, gleich vor ihnen, nahe dem Ufer dieses künstlichen Sees, war eine kleine schwarze Stelle, nur ein winziger Fetzen von einer Insel, der die Last dreier Kiefern tragen musste, die sich dem Himmel entgegenreckten.
    Plötzlich hörte George etwas, und er erstarrte. Da lag ein Raunen im Wind, schrecklich tief und nachklingend. Er hatte so oft gehört, wie die Erste Weise vorgetragen wurde, er kannte sie auswendig, und obgleich dieses Raunen ähnlich klang – ein Laut, den der Geist kaum erkennen, den kein Instrument und keine Stimme je nachahmen konnten –, war es doch etwas, das er noch nie zuvor gehört hatte. Ihm wurde klar, dass er einen Teil der Weise hörte, der offenbar seit vielen, vielen Jahren unentdeckt hier gelegen hatte und von einem Teil der Welt sang, der längst verloren war.
    Er starrte die Insel an. Er konnte nicht sagen, woher er es wusste, aber er spürte auf Anhieb eine Schwere, so, als gäbe es noch eine weitere, verborgene Last, die diese kleine Insel tragen musste.
    »Da ist es«, sagte Silenus mit heiserer Stimme. »Ich kann es beinahe sehen. Verdammt noch mal, wir sind so nahe dran.« In seiner Stimme lag eine Verzweiflung, die George vorher nur ein Mal wahrgenommen hatte, auf dem Friedhof, als die Bekenntnisse aus ihm herausgesickert waren. Aber Stanley wirkte keineswegs erfreut. Er rieb sich den Kopf, starrte die Insel an und stieß einen tiefen, verunsicherten Seufzer aus.
    Silenus drehte sich um und blickte am Ufer entlang. Bald fand er einen besonders großen, flachen Felsen und baute sich vor ihm auf. Dann machte er kehrt und lief mehrmals vor ihm auf und ab, als würde er einen Tanz aufführen, während er dem Felsen den Rücken zukehrte. Schließlich blieb er mitten im Schritt stehen, drehte sich

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