Silenus: Thriller (German Edition)
Wirkung. Silenus blieb, als er fertig war, einfach auf der Truhe sitzen und atmete schwer und hörbar aus, nur ein alter Mann in dreckigen Stiefeln. Dann sagte er mit schwacher, angstvoller Stimme: »Ich werde heute sterben.«
»Ja«, sagte Ofelia. »Das wirst du. Wirst du feige genug sein, um davonzulaufen?«
»Nein. Nein, ich werde nicht davonlaufen«, sagte er und erhob sich. »Aber da Ihr meinen Tod wollt, steht mir die Ehre zu, vor meinen Mörder zu treten.«
»Du hast deine Privilegien erschöpft«, antwortete sie eisig. »Und dieses Privileg werde ich dir nicht einräumen.« Sie nickte einigen ihrer Elfen zu, und die marschierten mit stabilen Knüppeln in Händen auf ihn zu.
Silenus schniefte, warf das Glas über seine Schulter, richtete seine Krawatte und ging gemessenen Schrittes auf Ofelia zu. »Ich werde heute sterben«, sagte er erneut mit leiser Stimme.
Er schritt auf die Gruppe herannahender Angreifer zu, als wären sie gar nicht da, die Augen starr auf die Dame gerichtet. Der erste Knüppel, der herabsauste, traf seine Stirn, und Blut schoss fächerförmig durch die Luft. Colette schrie auf, und Silenus geriet ein wenig ins Schleudern, stolperte, setzte aber wieder den Fuß auf den Boden, um seinen Weg fortzusetzen. Doch schon ging ein weiterer Knüppel nieder und traf ihn an der Schulter und dann einer, der seinen Hals erwischte, ehe ein anderer den Weg zur Rückseite seines Kniegelenks fand. Etwas knallte, und er stöhnte und sank in einer Drehbewegung zu Boden, woraufhin sich die Elfen ein wenig entfernten und ihn einkreisten, um zuzusehen, wie er sich krümmte.
Aber das tat er nicht. Er schluckte. Blut strömte von seiner Stirn, und sein Knie wackelte schrecklich, doch er stemmte sich langsam hoch und setzte seinen Weg fort.
Die Elfen stürzten sich wieder auf ihn, und erneut sauste ein Knüppel auf ihn nieder. Er hob eine Hand, und der Knüppel erwischte das Handgelenk, und wieder knallte es. Silenus schrie auf und krümmte sich zusammen, und das gleißend weiße Stück eines gebrochenen Knochens ragte am Handansatz aus der Haut hervor. Dann packte ein Elf eine Handvoll seines Schopfes am Hinterkopf, hielt ihn fest und schlug ihm den Knüppel seitlich ins Gesicht. Silenus brach zusammen, ein Auge zerstört, dort, wo der Schädel unter dem Hieb nachgegeben hatte, und er lag da mit dem Gesicht im Dreck. Colette schrie erneut auf, und sogar Stanley, der stets vollkommen still geblieben war, ächzte verzweifelt.
George wollte wegschauen. Er fühlte sich krank vor Zorn, und er wollte hinstürzen und die Elfen erledigen und seinen Vater dort wegzerren. Aber er wusste, das konnte er nicht, und er hasste sich für seine eigene Machtlosigkeit. Wieder einmal saß er nur im Zuschauerraum seines eigenen Lebens.
Er nahm an, dass Silenus nun liegen bleiben würde. Immerhin hatte er eine furchtbare Kopfverletzung davongetragen. Doch sein Vater blieb auch dieses Mal nicht am Boden. Mit etlichen leisen Grunzern stemmte er sich mit der gesunden Hand stöhnend hoch, während die gebrochene Hand in seiner Achselhöhle ruhte, ehe er sich halb humpelnd, halb kriechend erneut auf den Weg zu der Dame begab. Blut strömte aus seinem Auge, von seiner Stirn und der Hand, und nun troff auch ein kleines Rinnsal an seiner Fessel herab.
Die Elfen drängten sich erneut um ihn herum. Einer rammte Silenus den Knüppel in den Bauch, und er zuckte vor, keuchte entsetzlich und prallte gegen einen anderen Elf. Der stieß ihn zurück, und sie hielten ihn in ihrem Kreis fest, schubsten ihn hin und her und spielten mit ihm. Sie schlugen ihm auf die Rippen, und einer packte sogar seinen gesunden Arm, streckte ihn gewaltsam und schlug ihm auf den Ellbogen. Sein Arm bog sich entsetzlich, der Ellbogen krümmte sich mit dem Geräusch berstenden alten Holzes zur Seite, und Silenus würgte und wimmerte leise.
»Hör endlich auf, zum Teufel!«, schluchzte Colette. »Hör einfach auf!«
Stanley stöhnte wieder leise.
»Bitte, hör auf«, flüsterte George. »Bitte geh nicht weiter. Hör einfach auf.«
Doch sein Vater wollte nicht. Auch mit zwei gebrochenen Armen beugte er sich noch nach vorn und stolperte wieder ein paar Fuß weiter auf die Dame zu. Die Elfen zögerten, sprangen um ihn herum und suchten nach der besten Stelle für den nächsten Hieb.
»Macht ein Ende«, sagte die Dame.
Einer der Elfen nickte und ging eine Weile neben Silenus her, passte sich seinem langsamen Hinken an. Silenus’ Atem ging nun pfeifend, und er
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