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Silenus: Thriller (German Edition)

Silenus: Thriller (German Edition)

Titel: Silenus: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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es uns gefällt oder nicht. Wir müssen uns wieder ums Geschäft kümmern. Heute findet eine Vorführung statt, und in drei Tagen sind wir wieder unterwegs. Also, an die Arbeit.«
    Brummend und grummelnd stapften alle hinaus, bis auf George, der hinterhertrödelte, weil er mit Colette sprechen wollte. Als er dann schließlich hinausging, stellte er fest, dass sie neben einer alten, ausrangierten Kulisse mit dem Bild einer Plantage auf ihn wartete. George fragte sich, ob sie sich bei ihm entschuldigen wollte.
    Diese Hoffnung wurde zerschlagen, als sie ihn mit einem finsteren Blick fixierte und sagte: »Du musst ziemlich zufrieden mit dir sein, nicht wahr?«
    »Ich muss was?«, fragte er.
    »Du hast dir alles hübsch zurechtgelegt. Du hast eine Truppe gefunden, du hast einen Vertrag mit einer Theaterkette – gewissermaßen –, und du hast beim Chef einen Stein im Brett. Einen großen Stein. Alles scheint sich zu deinen Gunsten zu entwickeln.«
    »Nicht alles«, widersprach George, der es nicht über sich bringen konnte, Colette in die Augen zu sehen.
    »Weißt du überhaupt, worauf du dich einlässt?«, fragte sie. »Wir alle sind nur hier, weil wir keine andere Wahl haben. Harry hat uns etwas gegeben, das uns niemand sonst geben konnte. Aber du kannst einfach gehen, genau, wie du es gestern Abend selbst gesagt hast. Du kannst machen, was du willst.«
    »Das kann ich nicht«, sagte George. »Mir geht es genau wie euch.«
    Das schien sie als Kränkung zu verstehen. »Inwiefern?«, verlangte sie zu erfahren.
    »Er hat etwas, das ich an keinem anderen Ort finden kann. Er ist mein Vater, Colette. Außer ihm habe ich so gut wie niemanden. Ich muss bei ihm bleiben.«
    Colette ließ sich von seinen Worten ein wenig erweichen, schüttelte aber immer noch den Kopf. »Bist du sicher? Wie gut ist er denn in dieser Rolle?«
    Ehe George antworten konnte, hörte er Silenus’ derbes Gebrüll durch den Korridor hallen. »George!«, schrie er. »Kommst du jetzt oder nicht?«
    Er sah sich zu Colette um. Die zuckte mit den Schultern, lehnte sich an die Kulisse und zerdrückte die weißen Säulen und grünen Felder der Plantage. Dann verschränkte sie die Arme und wandte den Blick ab.
    Zögernd machte George kehrt und lief den Gang hinunter. Dabei rief er: »Ich komme!«

Teil Zwei
     
    DIE GROSSE NUMMER
     
    When life seems full of clouds an’ rain
    and I am filled with naught but pain,
    who soothes my thumpin’ bumpin’ brain?
    Nobody.
    When winter comes with snow an’ sleet,
    and me with hunger and cold feet,
    who says »Ah, here’s two bits, go an’ eat!«
    Nobody.
    I ain’t never got nothin’ from nobody, no time!
    And until I get somethin’ from somebody, sometime,
    I don’t intend to do nothin’ for nobody, no time!
    Bert Williams und Alex Rogers,
    Nobody, 1905

13
     
    DIE LANGE REISE
     
    Nun folgten Wintertage, Tage in zugigen Räumen und auf kalten Dielen, Tage voller Sauerfleisch und schlafloser Nächte und vergilbter, sandiger Laken. Der Sand rieselte von den Waggondächern herab und verfing sich in Haaren, Kragen, Ärmeln und Mund. Man war ständig unterwegs, trieb in einem Meer voller Verdruss, verstörter Gesichter, rammender Ellbogen, und wenn man das hinter sich hatte, hastete man durch laublose Wälder, über aufgeweichte Felder und durch verfallene Städte, während der weiße Winterhimmel schwer auf den Schultern lastete.
    Man lebte für die Nachmittage und Abende, an denen man am Zuge war. Alles andere blieb, in gewisser Weise, hinter der Bühne: der Bahnhof, die Eisenbahnen, die Hotels und die Bars, all das war nur eine lang gezogene Warterei in den düsteren Korridoren jenseits der eigentlichen Vorstellung. Man wartete seine Zeit ab zwischen Clowns mit Theaterschminke in den Gesichtern und Akrobaten und Tänzerinnen und ganzen Rudeln winselnder Hunde in winzigen Kleidchen. Zum Zeitvertreib zankte man sich in der jeweiligen Gaunersprache über die Bedingungen des Gewerbes; man stritt über Abrechnungen oder den Urheber einer Nummer oder eines Ausspruchs oder über die gottverdammten Schmarotzer, die irgendwo im Publikum lauerten und nichts anderes im Sinn hatten, als die aufgeführten Nummern zu plündern und anderswo zum Besten zu geben.
    Die Garderobe war nur insofern eine erstrebenswerte Umgebung, als dass sie ein wenig Abgeschiedenheit bot. Die Bedingungen vor Ort waren hingegen häufig einfach erbärmlich. Das Erste, was man tat, wenn man eintraf, war, die Wände und Ecken nach Gucklöchern

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