Silicon Jungle
Organisation mit Sitz in Kalifornien. Unser Ziel ist es, die Bürgerrechte zu schützen. Wir sind keine staatliche Organisation, und wir sagen nicht, dass Sie in Schwierigkeiten stecken. Aber wir haben Grund zu der Annahme, dass Ihre Rechte verletzt werden.«
»Wovon reden Sie?«
»Durch einige Aktionen, die Sie online oder offline getätigt haben, könnten Sie auf eine staatliche Watch List geraten sein. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Wir wollen lediglich sicherstellen, dass Ihre Rechte nicht verletzt werden. Wir arbeiten in keiner Weise mit irgendeiner staatlichen Behörde zusammen.«
»Ich hab nichts gemacht. Bin ich in irgendwelchen Schwierigkeiten? Sind Sie ein Cop?« Mr. Merdin war auf dem besten Weg, hysterisch zu werden.
Nach zwanzig Minuten hatte Sebastin ihn schließlich wieder so weit beruhigt, dass er eine Reihe möglicher Gründe abfragen konnte, warum er auf eine Watch List geraten sein könnte.
»Mr. Merdin, ich versuche, Ihnen zu helfen. Wenn wir wissen, warum Sie auf einer solchen Liste stehen, kann die ACCL all ihre Mittel einsetzen, um Sie von der Liste streichen zu lassen. Fangen wir mit allgemeinen Dingen an. Sind Sie in letzter Zeit ins Ausland geflogen?«
»Nein. Nicht in letzter Zeit.« Ein Räuspern. »Letzten September bin ich in die Türkei geflogen«, gab er zu. »Aber ich hab da Familie«, schob er rasch hinterher.
»Sonst noch irgendwohin?«
»Nein. Ich bin sonst nirgendwohin gereist.« Doch in seiner Stimme lag ein Zaudern, als er das sagte – eine Unsicherheit, die einem aufmerksamen Verkäufer nicht entging.
»Mr. Merdin, wenn Sie nicht ehrlich zu mir sind, kann ich Ihnen nicht helfen. Sind Sie noch woandershin gereist?«
»Ich hab Freunde und Verwandte in der Gegend.« Er hielt inne, als wollte er sich bremsen, ehe er mehr sagte.
»Wo waren Sie? Und wie lange? Ich versuche, Ihnen zu helfen, Mr. Merdin.«
»Hier und da. Türkei, Irak, Syrien – meine Verwandten leben da. Ich war zwei Monate unterwegs. Darf ich sie nicht besuchen?«
»Natürlich dürfen Sie das, Mr. Merdin. Das hört sich alles ganz normal an. Darf ich fragen, was Sie beruflich machen, Mr. Merdin?«
»Wahrscheinlich wissen Sie doch längst, dass ich Bauingenieur und Statiker bin – seit sieben Jahren. Ist daran irgendwas auszusetzen? Wieso stellen Sie mir solche Fragen?«
»Ich versuche bloß, genug Informationen zu sammeln, um Ihnen zu helfen. Sagen Sie, haben Sie irgendwelche Websites besucht, die als umstritten betrachtet werden könnten? So etwas kann auch Probleme verursachen. Vor allem im Zusammenhang mit Reisen.«
»Ich suche im Netz nach Nachrichten … über zu Hause.«
»Natürlich. Wer würde das nicht? Sonst noch etwas, das ich wissen sollte?« Beim nächsten Mal, dachte Sebastin, würde er Stephen fragen müssen, aus welchen Gründen genau die Leute auf der Liste standen. Diese Raterei war lästig.
»Manchmal achte ich nicht genau darauf, was ich anklicke …«
Sebastin fiel ihm ins Wort: »Sie haben nicht vielleicht Websites mit umstrittenen politischen Inhalten besucht oder solche, die jemand für radikal oder extremistisch halten könnte, oder? Auch wenn bloß aus Neugier oder aus Versehen. So was löst häufig den entsprechenden Alarm aus.«
»Nein, nie. Ich würde niemals … Vielleicht hab ich mal aus Versehen irgendeinen Link angeklickt, keine Ahnung …«
Schon näher. Er war drauf und dran, irgendetwas aus ihm rauszuholen. Ein Eingeständnis, eine Andeutung – irgendwas, das sein Auftauchen auf der Liste erklären würde. Sebastin blieb stumm, hoffte, dass Merdin weitersprechen würde.
»Ich würde niemals … Wer kann das überhaupt wissen? Es wird mir doch keiner einen Strick daraus drehen, dass ich aus Versehen irgendeine Website aufgerufen hab. Das ist unmöglich. Das ist nicht richtig.«
»Da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Aber nicht ich habe Sie auf die Liste gesetzt. Im Gegenteil – ich möchte Sie von der Liste runterholen. Mr. Merdin, wenn ich mir alle Ihre Suchanfragen der letzten zwei Jahre ansehe, sind Sie sicher, dass ich nichts finden werde, das zumindest verdächtig erscheinen könnte? Gehen wir doch die Liste zusammen durch. Ich möchte Ihnen helfen. Sehen wir uns doch mal Ihre Suchen im vergangenen Jahr an. Moment, ich hol sie rasch auf den Bildschirm. Sekunde.« Sebastin tippte ein paarmal laut auf seiner Tastatur. Auf dem Monitor erschien das Spiel Minesweeper.
»Ein paar Monate sind schon geladen«, bestätigte Sebastin nach etwa fünfzehn
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