Silicon Jungle
meine Erwartungen übertroffen. Danke sehr.«
»Gern geschehen. Ich hoffe, Sie können was damit anfangen.«
»Ganz bestimmt. Auf jeden Fall. Hören Sie, Stephen, ich möchte Sie gern zum Lunch einladen, als kleines Dankeschön …« Sie verabredeten einen Termin und verabschiedeten sich mit den besten Wünschen.
Stephen war selig. Endlich hatte sich jemand seine Analysen von Anfang bis Ende angehört, und auch wenn Sebastin vielleicht nicht alles verstanden hatte, er hatte es auf jeden Fall zu schätzen gewusst.
Es war kurz vor 16.00 Uhr. Stephens To-do-Liste für den Tag war leer. Das Motivationsmeeting würde gleich anfangen. Er hätte es gern geschwänzt, um von Kohans Nacht zu erfahren. Doch leider waren Kohan und die anderen noch immer nicht aufgetaucht.
VIER ANRUFE, DIE EIN LEBEN VERÄNDERN
16. Juli 2009.
Fünftausend. Das war deutlich mehr, als Sebastin erwartet hatte, und mehr, als er brauchte. Tausend hätten völlig genügt.
Dieser Auftrag war Gott sei Dank so gut wie erledigt. Es hatte Monate gedauert, um an die Informationen ranzukommen – viel länger, als er kalkuliert hatte. Schon bald würde er Rajive die Liste aushändigen, bezahlt werden, und die Sache wäre vom Tisch. Dann könnte er sich endlich wieder voll und ganz auf die ACCL konzentrieren, auf das, was wirklich zählte, sich stark machen für das Recht auf Redefreiheit, für das Recht auf ein freies Internet für alle Bevölkerungsschichten, die Überwindung der »digitalen Kluft«, auf Dinge eben, von denen er und die anderen Gründer – Mark, Elizabeth und Nate – wirklich was verstanden.
Und wie standen die Chancen, dass Stephen ihm die Geschichte abkaufte, die er ihm erzählt hatte? Nicht schlecht, würde er sagen: Erstens hatte er sich bei den Lügen, die er Stephen aufgetischt hatte, recht vage ausgedrückt, so dass alles einigermaßen plausibel klang. Falls Stephen auf die Idee käme, Recherchen über die ACCL anzustellen, würde er nichts anderes herausfinden, als dass sich die Organisation für Redefreiheit und den Schutz der Privatsphäre einsetzte. Zweitens, wenn Ubatoo seinem Ruf gerecht wurde und seine Praktikanten richtig hart rannahm, würde Stephen wohl kaum die Zeit dazu finden, Recherchen über ihn anzustellen. Und außerdem war er nun mal ein Verkäufer und noch dazu ein guter, zumindest wenn es darum ging, etwas im Silicon Valley zu verkaufen. Einem Praktikanten den kindlichen Idealismus zu verkaufen, der ihn täglich umgab? Wenn er das nicht schaffte, Schande über ihn.
Dennoch, Sebastin wurde den Gedanken nicht los, dass es leichter gewesen wäre, nicht dieses doppelte Spiel zu treiben. Er hatte allen bei der ACCL verheimlichen müssen, was er machte, dabei war der Aufwand viel zu groß für das bisschen Geld, das Rajive ihm geboten hatte. Damit kam er nicht mal ansatzweise in die Nähe dessen, was Mark vor Jahren kassiert hatte.
Aber falls die fünftausend wirklich alles Leute waren, die auf eine Watch List gehörten, wäre die Liste dann nicht sehr viel mehr wert als das, was ihm gezahlt wurde? Wenn das, was Stephen versprach, nicht zu schön war, um wahr zu sein, hätte er für die Liste erheblich mehr bekommen müssen. Es war zumindest interessant, das herauszufinden.
Am liebsten hätte er gleich zum Hörer gegriffen und ein paar von den Leute angerufen, aber er war nicht richtig vorbereitet. Was sollte er sagen? Er musste sich ein gutes Skript überlegen. Sonst würde er ihnen nur grundlos Angst einjagen.
Er würde bis morgen darüber nachdenken. Er hatte so lange gewartet, da kam es auf einen Tag mehr auch nicht an.
Sortiert. Die fünftausend Namen auf der Liste waren sortiert . Also suchte Sebastin zunächst wahllos einen Namen von der allerletzten der über hundert Seiten mit Namen und Kontaktinformationen aus, Muratt Merdin . Falls er eindeutig feststellen konnte, dass diese Person, die ganz unten auf der Liste stand, ein guter Kandidat für eine Watch List wäre, dann musste jeder, den Stephen höher eingestuft hatte, garantiert ein guter Kandidat sein.
Sebastin lauschte mit wachsender Anspannung auf das Klingeln in der Leitung, wie das Klackern einer Achterbahn vor dem freien Fall.
»Hallo?«
»Mein Name ist Sebastin. Ich rufe im Auftrag der American Coalition for Civil Liberties an. Könnte ich bitte mit Muratt Merdin sprechen?«
»Am Apparat.«
»Mr. Merdin, der Grund meines Anrufs ist ein wenig delikat. Vielleicht sollten Sie sich hinsetzen. Die ACCL ist eine gemeinnützige
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